Wer jetzt meint, die Talsohle sei durchschritten und es muss jetzt aufwärts gehen mit Dante, der wird sich nun enttäuscht sehen. Erinnern Sie sich noch an jenen Spruch auf der Postkarte:

Und aus dem Chaos sprach eine Stimme:
"Lächle und sei froh, denn es könnte schlimmer kommen."
Und ich lächelte und war froh - und es kam schlimmer
Im Großen und Ganzen ist das Paradies ein Ort, wo selige Theologen in einer völlig verquasten Sprache Vorträge über alle möglichen Themen halten, von denen sie keine Ahnung haben. Dagegen erscheint die Erde mit Talkshows à la May Britt Illner, der anderen Trulla (Sandra Matschhügel?) oder Johannes B. Hirner (und dann gibt es ja noch den sonnengebräunten, schmalzgelockten Peaceman, huh) geradezu als Himmelreich. Der Erkenntniswert ist zwar ebenfalls Null und die im Ringelreihen Brabbelnden sind kurz vor dem geistigen Exitus, aber da kann man immerhin ausschalten. Bei Dante allerdings wird die entscheidende Frage gar nicht angesprochen. Angenommen durch irgendeinen dummen Zufall verschlägt es einen ins Paradies, obwohl man alles getan hat, um da nicht hinzukommen, also Bank ausgeraubt, Tante erschlagen, dem fiesen Nachbarn die Autoreifen zerstochen, dem Schwesterherz die Pralinen weggegessen etc. etc., dann ist doch die naheliegende Frage, wie kommt man wieder raus ?

Dass nun dein Blick, o Leser, besser sieht,
Was ich gesehn – und während ich‘ s beschreibe,
Lass feststehn das Gedachte wie Granit -

Im Original

Imagini, chi bene intender cupe
quel ch'i' or vidi - e ritegna l'image,
mentre ch'io dico, come ferma rupe -,

Stelle sich vor, wer verlangt zu verstehen,
was ich dort sah – und fest halte er das Bild,
während ich beschreibe, wie einen Fels

Das Bild, das jetzt kommt, der Vergleich einer hypothetisch angenommenen Sternenkonstellation mit den zwei Ringelreihen tanzenden Theologen ist aber so abwegig, da muss der Autor leider völlig passen, das Bild hält er beim besten Willen nicht fest. Für die Beschreibung dieser hypothetisch angenommenen Sternenkonstellation braucht Dante jetzt sechs Terzinen.

So denke dir rundum die Himmelsscheibe
Von fünfzehn Sternen so mit Glanz belebt,
Dass er die trübsten Dünste selbst vertreibe -

Denk dir den Wagen, der genügsam strebt,
Am Himmel hinzufahren jede Stunde,
Der rastlos seine Deichsel dreht und hebt -

Im Original

quindici stelle che 'n diverse plage
lo ciel avvivan di tanto sereno
che soperchia de l'aere ogne compage;

imagini quel carro a cu' il seno
basta del nostro cielo e notte e giorno,
sì ch'al volger del temo non vien meno;

fünfzehn Sterne erleuchten an unterschiedlichen
Orten den Himmel so hell, dass
sie jeden Dunst der Luft überstrahlen

stell dir jenen Wagen vor, dessen Brust
unserem Himmel Nacht und Tag genügt,
so dass, wenn er die Deichsel dreht nicht verschwindet

Er redet also vom großen und kleinen Bären, das sieht erstmal so aus:

aus: http://de.wikipedia.org

(Großer Bär und Großer Wagen bzw. Kleiner Bär und Kleiner Wagen sind eigentlich nicht dasselbe. Der große Bär bzw. kleine Bär bezeichnet eigentlich ein größeres Sternbild, von dem der Große Wagen bzw. der kleine Wagen ein Bestandteil ist. Oben abgebildet der Große Wagen bzw. kleine Wagen; um den geht es hier.)
Zählt man nach, kommt man erstmal nur auf 14 Sterne, folglich fehlt einer. Das Rätsel löst sich unter Umständen, wenn man bedenkt, dass auf einer Krümmung der Achse zwei Sterne liegen, Mizar und Alkor. Nach Aussagen, die man in den Weiten des Cyberspace finden kann, lassen sich beide Sterne an guten Tagen erkennen, so dass wir jetzt einfach mal davon ausgehen, dass Dante den auch schon gesehen hat. Der Autor selbst schaut ausgesprochen selten in den Himmel, er würde mit knapper Not noch den Mond erkennen, Mizar auf keinen Fall und den Alkor sowieso nicht. Dass diese Sterne nun so hell leuchten, dass sie jede Nebeldecke, Wolkendecke und ähnliches überstrahlen glaubt der Autor natürlich nicht, dann wären selbst ihm die Teile da oben schon aufgefallen. Was bei den Viechern da oben die Brust sein soll ist zwar unklar und Tag und Nacht sichtbar sind sie auch nicht, aber diese zwei Sternbilder liegen so dicht am Himmelspol, dass sie das ganze Jahr sichtbar sind (also wenn Jemand das ganze Jahr nach oben glotzt; hatte ich schon angemerkt, dass ich Astronomie rein theoretisch als Grundkurs hatte, da aber nicht nach oben, sondern in die Cappuccino Tasse schaute?).

Denke das Horn dir, wo es mit dem Munde
Der Achse letzten Punkt pflegt zu erreichen,
Um den das erste Rad beschreibt die Runde -

Denke geformt sie aus zwei Himmelszeichen,
Wie eins auf Ariadnes Haupt sich senkte,
Als sie der Frost des Todes ließ erbleichen -

Im Original

imagini la bocca di quel corno
che si comincia in punta de lo stelo
a cui la prima rota va dintorno,

aver fatto di sé due segni in cielo,
qual fece la figliuola di Minoi
allora che sentì di morte il gelo;

Stell dir den Mund vor jenes Horn
das beginnt am Anfang jenes Stieles
um das herum das erste Rad sich dreht

lass am Himmel sie zwei Zeichen bilden,
wie das Töchterchen des Minos hat getan
Als sie des Todes Kälte spürte

Also wir sehen das Horn ja ums Verrecken nicht und schließen daraus, dass es in Florenz im 13. Jahrhundert so diesig war wie in Berlin heute, aber sagen will er uns, dass die letzten beiden Sterne der Deichsel des kleinen Wagen ein Horn bilden, in dessen Öffnung dann das Zentrum des Rades liegt, das alles in Bewegung setzt, das primum mobile. Den großen und den kleinen Bären soll man dann als zwei Zeichen sehen, also irgendwie fest im Blick behalten, so wie dies geschehen ist mit dem Kranz der Ariadne. Ariadne flüchtet mit Theseus, dem sie zuvor geholfen hatte den Minotaurus zu töten, von Kreta. Auf der Insel Naxos wird sie allerdings von Theseus verlassen und von Dionysos, wahrscheinlich in einem umfassenden Sinne, getröstet. Bei dieser Gelegenheit, also anlässlich der Heirat, hatte ihr Hephaistos, der Hufschmied des Zeus, einen Kranz geschmiedet. Dieser wird von Dionysos an den Himmel geklebt und bildet das Sternbild "Nördliche Krone". Die „Nördliche Krone“ ist irgendwo da oben eine Sternformation in Halbkreis. Das mit dem Tod ist etwas unklar. Nach Ovid, wo Dante diese Version der Geschichte her hat, stirbt sie erst später und wird dann von Bacchus in den Olymp getragen.

Dann denk, dass eins ums andre strahlend lenkte
Und sich um einen Punkt im Doppelkranz,
Nur nach verschiedner Richtung, wirbelnd schwenkte -:

Uff! Also die meisten Leute, so 99 Prozent der Menschheit haben ja Probleme die Dinger überhaupt nur zu sehen, selbst wenn nicht gerade eine Wolkendecke jede Aussicht versperrt. Jetzt soll man die Dinger aber nicht nur sehen, sondern sich vorstellen, wie sie sich da oben gemeinsam kreisförmig um eine Achse drehen und das auch noch in entgegengesetzter Richtung. Den Autor würde jetzt mal interessieren, ob Dante sich das vorstellen konnte. Wenn der Autor sich zwei mal 12 Theologen vorstellen soll, die die verschärfte Version von BiBaButzelmann spielen (es tanzt ein Bibabutzelmann in unserem Kreis herum fidibum…), verschärft weil es ja zwei Ringelreihentänzer sind, dann würde er eher an ältere Herren beim Münchner Oktoberfest denken, die beim fünften Maß angekommen sind und da schunkeln (ein Prosit, ein Pro’o’osit der Gemütlichkeit, ein Prosit ein Pro’o’sit der Gemüüüütlichkeit…). Zu früheren Zeiten scheint den Künstlern dazu aber noch was eingefallen zu sein, das sieht dann so aus:

Natürlich will uns Dante mit seinem etwas abstrusen Rotieren irgend was ganz Mystisches mitteilen, doch leider ist dem Autor sehr selten nach Mystik zumute.

Dann hast du doch nur erst ganz blassen Glanz
Von dieses Sternbilds Gruppe, die um mich
Sich unermüdlich schwang im Flimmertanz;

Das stimmt. Wenn ich mir vorstelle, wie da oben in einem Affenzacken irgendwelche Sternkonstellationen umeinander kreisen, dann hab ich in der Tat nur eine ganz schwache Vorstellung davon, wie es ist, wenn 24 zu nervös zuckenden Flammen mutierte ältere Herren eine spezielle Variante des bayrischen Schuhplattlers vorführen.

Denn unser Wissen lässt dies hinter sich
Soweit als der Chiana träges Rollen
Zurücksteht hinterm schnellsten Himmelsstrich.

Im Original

poi ch'è tanto di là da nostra usanza,
quanto di là dal mover de la Chiana
si move il ciel che tutti li altri avanza

weil all’ dies so entfernt, von allem was wir kennen
wie die Bewegung der Chiana
von der Bewegung des Himmels, der alle anderen überspannt

Dante deliriert. Um uns ein Bild vom Ringelreihen Tanzen zu machen, sollen wir uns vorstellen, wie der große Wagen und der kleine Wagen gegenläufig um den Himmelsnordpol flitzen, diese Vorstellung (kann man sich ja ganz leicht vorstellen) liefert uns aber nur eine schwache Vorstellung davon, wie die 24 älteren Herren da oben Schuhplattler tanzen, weil das, was da oben abgeht von unseren Vorstellung so stark abweicht wie die Geschwindigkeit, mit der das Wasser im Fluss Chiana fließt von der Geschwindigkeit verschieden ist, mit der sich das primum mobile, also der erste Beweger, bewegt. Also ich hab ja keinen blassen Schimmer, was die im Mittelalter in den Artes Liberalis getrieben haben (Trivium: Rhetorik / Grammatik / Dialektik, Quadrivum: Geometrie / Astronomie / Arithmetik / Musik) . Irgendwie war der Lehrplan aber offensichtlich falsch, denn das Ergebnis des Lernprozesses war offensichtlich, dass einfachste Ideen völlig verquast ausgedrückt werden, mit haarsträubenden Vergleichen und das, was Lyrik bzw. Dichtung ausmacht, nicht mal ansatzweise begriffen wurde. Niemand würde von Dante verlangen, dass er die Ästhetische Theorie von Adorno gelesen hat, die den Prozess recht wirklichkeitsnah intellektuell durchdringt. Aber einige Rätsel der Lyrik lassen sich durchaus auch mit dem gesunden Menschenverstand lösen. Erschreckend ist aber, dass es noch heute Leute gibt, die der Meinung sind, dass sie es bei der Divina Commedia mit Dichtung zu tun haben.

Bacchos besang man hier nicht noch Apollen,
Nein: Göttlicher Natur in drei Personen,
Der Drei in Einem hier die Hymnen schollen.

Im Original

Lì si cantò non Bacco, non Pean,
ma tre persone in divina natura,
e in una persona essa e l'umana.

Dort galt der Gesang nicht dem Bachus, und auch nicht dem Paian,
sondern drei in göttlicher Gestalt war der Gesang geweiht
und eine davon hatte auch die Gestalt des Menschen

Glaub ich nicht. Nach dem fünften Maß singen die ein Loblied auf Bachus, bin ich mir absolut sicher. Auf den Paian singen sie wirklich nicht, das glaub ich. Paian war ursprünglich ein göttlicher Arzt, dann wurde es zu einem Beinamen des Apollo und des Äskulap. Dante meint wohl, dass sie der Trinität ein Ständchen gesungen haben. Bei der Trinität handelt es sich so um eine Art Arbeitsteilung. Gott als Vater, hat die Welt erschaffen, Gott als Sohn ist Jesus von Nazareth, der hat dann die Menschheit von der Erbsünde befreit und Gott als Heiliger Geist leitet die Menschen. Um das aber richtig zu verstehen, muss man noch ein paar Äpfel vom Baum der Erkenntnis essen. Wie war das beim Ratzinger, Joseph ? „Die Nachfolge Christi ohne Kompromisse, wie sie im Evangelium stehe, sei zu jeder Zeit die ultimative und höchste Norm geistlichen Lebens gewesen.“ Die Aussage ist erstmal nicht schlecht, an der Beweisführung kann er noch ein bisschen arbeiten.

Als Tanz und Sang die heilgen Lichterkronen
Beschlossen, sah ich sie zu mir sich neigen,
Beglückt, mit neuem Liebesdienst zu lohnen.

Da brach auf‘ s neu sein andachtsvolles Schweigen
Das Licht, dem es gefiel, das Wunderleben
Der heilgen Armut mir vorhin zu zeigen,
Im Original

Compié 'l cantare e 'l volger sua misura;
e attesersi a noi quei santi lumi,
felicitando sé di cura in cura.

Ruppe il silenzio ne' concordi numi
poscia la luce in che mirabil vita
del poverel di Dio narrata fumi,

Als Gesang und Tanz zum Ende waren gelangt
und sich die heiligen Lichter uns zuwandten,
Sich gegenseitig preisend

Da unterbrach die Stille des einträchtigen Schweigens
Das Licht in dem das großartige Leben
des Gott geweihten Armen mir ward erzählt

Also der Ringelreihen Tanz hat irgendwann mal aufgehört und die gedankenschwere Stille wurde durch den unterbrochen, der vorher das Leben des
Franzl von Assisi erzählt hatte, also Thomas von Aquin.

Und sprach: „Drosch man dir leer ein Strohbund eben,
Und sammelte das Korn man fleißig ein,
Soll Liebe auch vom zweiten Bund dir geben.

Im Orginal

e disse: «Quando l'una paglia è trita,
quando la sua semenza è già riposta,
a batter l'altra dolce amor m'invita.

Und sprach: “Wenn ein Bündel Stroh ward gedroschen,
wenn seine Samen schon eingesammelt,
dann drängt die süße Liebe auch das andere zu schlagen“

Also das erste Bündel bezieht sich auf den tiefsinnigen Schwachsinn des elften Geträllers. Da hat er uns erklärt, was es mit dem Spruch „Fettsein auf der Weide“ auf sich hat und warum Armut ein Wert an sich ist. Verstanden hat das aber auch Dante nicht, denn sonst hätte er sein Vermögen, das aufgrund seiner Verbannung konfisziert worden war, ja nicht zurückverlangt. Er hätte, frei nach Janis Joplin „Freedom’s just another word for nothing left to lose“ auf alles, was er noch verlieren könnte verzichtet, damit die vollkommene Freiheit erlangt und den Rest seines Lebens wie Diogenes in einem Fass verbracht. Schaut man ganz genau hin, erleben wir noch eine Änderung. Früher hat ja Dante immer noch mit viel Rumgedruckse eine Frage gestellt, die kein normaler Mensch stellen würde. Zunehmend ändert sich das aber. Thomas von Aquin gibt ungefragt Antworten, die nicht mal Dante stellt, wobei wohl inzwischen klar ist, dass Fragen, die nicht mal Dante stellt, definitiv auch gar nicht beantwortet werden müssen.

Du glaubst: Die Brust, aus deren Fleisch und Bein
Der schöne Mund geformt ward, der nachher
Genascht hat, sich und aller Welt zur Pein -

Das ist Adam, das ist jetzt wieder die Geschichte mit dem verspeisten Apfel, irgendwie handelt es sich bei diesem Apfel um einen Fetisch, der die Christenheit in seinen Bann gezogen hat.

Du glaubst: dass jene, die durchbohrt vom Speer
Die vor wie nach genügend Sühne brachte,
Dass keine Schuld seitdem wiegt allzu schwer -

Im Original

e in quel che, forato da la lancia,
e prima e poscia tanto sodisfece,
che d'ogne colpa vince la bilancia,

und dass der, der durchbohrt ward durch die Lanze,
und der vor- und nachher soviel hat auf sich genommen,
dass jede Schuld ward aufgewogen

Das ist jetzt Jesus. Der hat die Schuld auf sich genommen, die dadurch entstanden ist, dass Eva einen Apfel verspeist hat.

Du glaubst: dass beider Brust zur Schale machte
Für alles Licht, das je der Menschheit glänzte,
Die Kraft, die sie erschaffen und erdachte?

Im Original

quantunque a la natura umana lece
aver di lume, tutto fosse infuso
da quel valor che l'uno e l'altro fece;

so dass alles was die menschliche Natur
an Geisteskraft besitzt, ihm eingeflösst
ward von jener Kraft, die den einen und den anderen schuf

??? Also Thomas von Aquin behauptet, dass Dante denkt, dass bedingt durch die Tatsache, dass Gott den Menschen erschaffen hat, und dass Christus am Kreuz gestorben ist, weil Eva einen Apfel verspeist hat, alle Geisteskraft, die der Mensch besitzt, von Gott stammt. Irgendwie geht das wahrscheinlich in die Richtung, die wir schon hatten. Perfekt ist nur, was direkt von Gott stammt, was aber von etwas erzeugt wurde, was nur indirekt von Gott stammt, ist eben nicht perfekt. Das ist das, was Dante noch nicht verstanden hat, wir aber, pfiffig wie wir sind, wir kennen unseren Thomas von Aquin doch.

Drum stauntest du, als ich so scharf umgrenzte
Vorhin mein Lob: dass alles unterstünde
Dem einen, den das fünfte Licht umkränzte!?

Also dieses fünfte Licht wird im 10 Gesang vorgestellt, es ist Salomon.

La quinta luce, ch'è tra noi più bella,
spira di tal amor, che tutto 'l mondo
là giù ne gola di saper novella:

entro v'è l'alta mente u' sì profondo
saver fu messo, che, se 'l vero è vero
a veder tanto non surse il secondo.

Dem fünften Licht, das hinter uns noch schöner strahlt,
entströmt eine solche Liebe, dass die ganze Welt
da unten wünscht noch mehr zu erfahren

dort drinnen ist ein hoher Geist, begabt mit
einem so tiefen Wissen, dass wenn das Wahre wahr ist,
es keinen zweiten gibt

Was das mit dem zu tun hat, was jetzt kommt, ist schleierhaft. Er wird uns erklären, dass nur Adam und Christus perfekt sind, da direkt von Gott geschaffen. Ein Schuh wird draus, reichlich daher geholt, wenn man die Aussage „es keinen zweiten gibt“ so interpretiert, dass, ernst genommen, Salomon genauso weise war wie Adam. Diesen, etwas dahergeholten Widerspruch löst er dann dadurch auf, dass er sagt, die Aussage hätte sich auf Salomon als König bezogen und nur in dieser Funktion sei Salomon unvergleichlich. Letztlich sind die Feinheiten aber egal, denn das ganze Teil ist völlig bluna. Erzählen will uns Thomas von Aquin, eigentlich ungefragt, dass die wahre Weisheit nur Gott höchstselbst reinpustet; was nur mittelbar erschaffen wird, also die Menschen, haben diese eben nicht. Merkwürdigerweise behauptet er aber ein bisschen weiter vorne, dass Gott jedem Menschen einzeln die Seele einpustet, deswegen sind diese ja unsterblich. Die Schlüsse, die Dante zieht, offenbaren sich nur dem, der jeden Sonntag in die Kirche latscht, zu jener Gruppe gehört aber der Autor nicht.

Doch öffne dem dein Auge, was ich künde,
So wahr ist dann dein Glaube und mein Wort,
Wie dass ein Kreis im Mittelpunkt sich gründe.

Im Original

Or apri li occhi a quel ch'io ti rispondo,
e vedrai il tuo credere e 'l mio dire
nel vero farsi come centro in tondo

Jetzt öffne dein Auge dem was ich dir antworte,
und du wirst sehen, dass dein Glaube und was ich sage
in der Wahrheit sich finden, wie das Zentrum im Kreise

Also wie man das Auge für etwas öffnen soll, was der andere sagt, ist weitgehend unklar, es sei denn, dieser andere bedient sich der Taubstummensprache. Wenn er uns sagen will, dass sowohl der Glaube wie auch die Ratio zu so sicherer Erkenntnis führt wie der Mittelpunkt eines Kreises wohl definiert ist, dann hält der Autor diese Aussage für blanken Humbug.

Was ewig ist – und was hinwelkend dorrt,
Ist nur ein Abglanz, der Idee entflossen,
Die liebend zeugt der Schöpfer fort und fort.

Das war schon x-mal da, wird aber durch die Wiederholung auch nicht besser. Nur was Gott direkt schafft, hier also (siehe unten) Adam und Christus, ist vollkommen, die anderen kriegen die göttliche Liebe nur indirekt ab. Ewig ist die Materie und welken tun die Lebewesen. Das ist aber egal, die göttliche Liebe kriegen sie nur indirekt ab.

Denn das lebendge Licht, das ausgegossen
Vom ewgen Glanzquell ist, bleibt im Vereine
Mit ihm und Liebe fest zur Drei geschlossen,

Das Licht, das von ihm (dem ewgen Glanzquell, wahrscheinlich die Trinität oder Gott) ausgeht, hat also alle drei Bestandteile in sich, die des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen. Sinn in dem Unsinn macht das unter Umständen dann, wenn man den drei Bestandteilen eine bestimmte Aufgabe zuweist. Vater (Gott) ist der Schöpfer, der Sohn (Jesus) vergibt die Sünden und der heilige Geist begleitet die Erdenwürmer. Das ist dann so ähnlich wie in der öffentlichen Verwaltung. Da werden auch ständig neue Aufgabenfelder geschaffen und ausdifferenziert, obwohl den Job auch locker einer machen könnte.

Nun kannst du es von Tat zu Taten gleiten
Und stufenweis an Kraft verlieren sehen,
Bis es nur schafft flüchtige Zufälligkeiten,

Darunter solche Dinge zu verstehen,
Die sich entwickeln mit und ohne Samen,
Wie es bewirkt des Himmels Schwung und Drehen.

Es ist zwar bei diesem Hokuspokus schon völlig wurscht, was er sagt, aber er müsste eine Erklärung abgeben, warum der Glanzquell immer dünner werden soll. Stimmen würde das nur, wenn die Menge an Glanzquell konstant ist, aber sich auf immer mehr Individuen verteilt. Natürlich hätte der Glanzquell dann immer noch die Möglichkeit, sich wie die DNA oder wie Zellen zu vervielfältigen, aber das scheint bei dem Glanzquell irgendwie nicht vorgesehen zu sein. Die Theorie Dantes basiert also auf einer Fehlkonstruktion des Glanzquells. Die zweite Terzine besagt dann, dass der Glanzquell sowohl in den belebten wie in den unbelebten Dingen ist. Dass die Samen von des Himmels Schwung und Drehen durch die Gegend verteilt werden, war irgendwann schon mal da, die Theorie ist aber falsch.

Doch da die Stoffe, die zur Prägung kamen,
Oft ungleich sind dem Bildner, glänzt zuweilen
Das Urbild mehr und minder hell im Rahmen.

So strotzt in guten Früchten oder geilen
Gleichartger Baum – so pflegt des Schicksals Walten
Auch euch verschiedne Gaben zu erteilen.

Im Original

La cera di costoro e chi la duce
non sta d'un modo; e però sotto 'l segno
ideale poi più e men traluce

Ond'elli avvien ch'un medesimo legno,
secondo specie, meglio e peggio frutta;
e voi nascete con diverso ingegno.

Der Wachs jener ist aus anderem Stoff,
als der ist, der sie formt, so dass das
Ideal mehr oder weniger klar erscheint

Je nachdem ob sie vom gleichen Holz,
je nach Art, ist die Frucht besser oder schlechter
so dass ihr auf die Welt kommt mit verschiedenen Gaben

Dunkel ist der Rede Sinn, was aber nicht unbedingt heißen muss, dass auch der Brunnen der Erkenntnis tief ist. Sagen will er uns, dass der Glanzquell eigentlich immer gleich auf das belebte und unbelebte niederfließt, aber in Abhängigkeit von der Eignung des Stoffes der Glanzquell unterschiedlich hervortritt.

Gäb‘ s nur vollkommnes Wachs, wies im Entfalten
Der Sterne Reigen stets die vollste Kraft,
Im Abdruck wär das Siegel ganz enthalten.

Doch immer gibt Natur es mangelhaft,
Dem Künstler ähnlich, der zwar kunsterfahren,
Doch dem die Hände zittern, wenn er schafft.

Also die Sterne sind aus irgendwelchen Gründen vollkommen, da kommt der Glanzquell ganz zum Ausdruck. Die Natur allerdings ist unvollkommen, da kommt der Glanzquell nicht richtig zum Ausdruck. Mit dem Künstlerbild könnte man was anfangen. Sieht man den Künstler als jemanden, der ein inneres Bild von Vollendung in sich trägt und dieses vollendete Bild in die Materie gießt, mehr oder weniger geschickt eben, dann ist das ein belastbarer Vergleich. Doch auch wenn Kleist der Meinung ist, dass der begabte Leser noch im abstrusesten Gestammel die Schönheit erkennt, so denn welche vorhanden ist, wird die Sache bei Dante grenzwertig. Nach soviel scholastischem Müll und Phrasendrescherei könnte selbst ein poetischer Smaragd in der Größe des Thronschatzes des Schahs von Persien nicht mehr leuchten.

Wenn aber Liebeglut ihr Bild dem klaren
Erschaun der Urkraft aufprägt, so muss Großes
Und nur Vollkommenes sich offenbaren.

So war der Tiernatur des Erdenkloßes
Zweimal durch Gott die Höchstvollendung eigen:
In Adam und im Sohn des Jungfraunschoßes.

Im Original

Però se 'l caldo amor la chiara vista
de la prima virtù dispone e segna,
tutta la perfezion quivi s'acquista.

Così fu fatta già la terra degna
di tutta l'animal perfezione;
così fu fatta la Vergine pregna;

Doch wenn in heißer Liebe erschafft von
Angesicht zu Angesicht und schafft und prägt in ursprünglicher Kraft
wird alles zur Vollkommenheit bestellt

so ward auch schon aus Lehm geformt
das Tier in seiner reinsten Vollendung
so empfing die Jungfrau

Soll heißen, dass wenn der Heilige Geist (die heiße Liebe) durch Gottes
Wirken direkt etwas erschafft, dann ist es perfekt. Perfekt ist also Adam -
und Maria, weil die ja empfangen hat vom heiligen Geist auf Veranlassung Gottes. Details sind bei diesem Totalblödsinn zwar prinzipiell egal, aber selbst im vollendeten Schwachsinn kann man noch Widersprüche finden. Die Argumentation oben läuft weniger darauf hinaus, dass der Glanzquell nicht von Gott direkt kommt, sondern dass er sich mit Materie verbindet, die nicht perfekt ist. Es bleibt also die Frage, was passiert, wenn Gott direkt auf nicht perfekte Materie einwirkt. Es gibt in dieser Abstrusität zwei Momente, die unzulängliche Materie und die direkte / indirekte Einwirkung Gottes. Nicht, dass der Autor jetzt ein Interesse hätte, dieses gewichtige Problem zu lösen, er wollte es nur mal anmerken.

Ich muss darum zu deiner Ansicht neigen,
Dass nie vollkommner als in diesen Zwein
Sich jemals menschliche Natur wird zeigen.

Das will ich aber hoffen, dass Thomas von Aquin Dante zustimmt. Auffallend ist, dass Eva nicht genannt wird, die wird wahrscheinlich nur indirekt geschaffen, also aus Adams Rippe, das Luder ist also nicht perfekt und verspeist folglich Äpfel und zieht den armen perfekten Adam mit ins Malheur. Am Anfang war also nicht das Wort, sondern eine Männerphantasie. Verruchte Weiber, die arglose Männer verführen. Wishfull thinking. Huh. Thomas von Aquin und Dante sind sich auf jeden Fall einig, dass Adam und Christus perfekt sind, wobei das mit der Perfektion bei dem Adam so eine Sache ist, denn der hat sich ja von dem Luder Eva verführen lassen. Da aber Adam und Eva ohnehin keine Kinder hätten bekommen sollen, das kam ja erst hinterher, hätte Gott den Adam auch gay erschaffen können, dann wäre er von Eva nicht verführt worden. Wahrscheinlich hätte Gott ihm dann aber den freien Willen genommen, denn der freie Wille besteht ja darin, dass man etwas will, aber es dennoch nicht macht; wenn man es von vorneherein nicht will, dann kann man den freien Willen ja nicht unter Beweis stellen. Sie sehen also auch beim Autor, dass der christliche Glaube im Allgemeinen und das Christentum im Besonderen eine brandgefährliche Angelegenheit ist. Beschäftigt man sich lange damit, fängt man an Fragen zu stellen, die der nüchterne Geist nie stellen würde.

Doch hielt ich hier im Unterrichte ein,
Du fragtest gleich: Kann also denn im Range
Ein Dritter diesen überlegen sein?

Die Frage also, die Thomas von Aquin in seiner tief beunruhigten Brust wälzt, ist, ob Salomon, den er ja vorher als so weise bezeichnet hat, dass es keinen weiseren gebe, tatsächlich weiser sein konnte als Adam und Christus, die ja perfekt waren. Das Abstraktionsniveau ist natürlich sehr hoch, der Autor würde ja eher versuchen, die Sache konkreter zu analysieren. Wenn man alleine durch das Paradies turnt, ist das zwar stinklangweilig, aber weise muss man dafür nicht sein, der Autor geht also eher davon aus, dass Adam dumm wie Bohnenstroh war. Bei Christus ist das so eine Sache. Er befürchtet, dass sich Volkswirtschaften auf der Grundlage der Bergpredigt nicht steuern lassen. Ob das hier besonders weise ist, weiß er auch nicht: Wer ein Weib ansieht, ihrer zu begehren, der hat schon mit ihr die Ehe gebrochen in seinem Herzen (Matthäusevangelium, Kapitel 5, 28). Erstens mal würde das ja voraussetzen, dass einer von beiden verheiratet ist (denn wenn keiner verheiratet ist, kann man auch schlecht eine Ehe brechen), zweitens ist das nur mit der Taliban Methode und Vollschleier möglich (das ist im Grunde die alte seelische Giftküche, die eigentlich gar nicht weise ist) und drittens bräche dann ein ganzer Industriezweig zusammen. Dann gibt es natürlich noch Probleme innerhalb des Systems, die der Autor natürlich nicht diskutieren würde. Merkwürdigerweise wird in der Bibel die Welt aus Nichts erschaffen: Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde (Moses, 1, 1). Das ist im Grunde auch nicht mit Aristoteles zu vereinbaren, denn bei diesem entsteht ja aus nichts Nichts. Das wird Thomas von Aquin aber sicher irgendwie hingebogen haben. Es gibt übrigens zu dem Thema auch wirklich Überraschendes. Man könnte ja jetzt meinen, das Thema sei durch, das war halt Mittelalter, aber was man da alles in den Tiefen des Internets ausgraben kann, das verblüfft einen dann schon, zumindest auf hochoffiziellen Seiten des Vatikans,
http://www.vatican.va

Die machen sich Gedanken über das imago dei, also die Gottähnlichkeit des Menschen. Man könnte ja jetzt meinen, dass das in etwa so interessant ist, wie ob in China ein Rad umfällt; aber nein, es ist eine Frage von unglaublicher Tragweite. Das ist irgendwie wichtig, weil der technische Fortschritt vorangeschritten ist. Wir finden dort aber Sätze von wirklich erlesener Schönheit.

„Der nach dem Bilde Gottes geschaffene Mensch ist als Person berufen, sich der Gemeinschaft zu erfreuen und seine Dienstleistung in einem physischen Universum auszuüben. Die Tätigkeiten, die interpersonale Gemeinschaft und verantwortliche Dienstleistung mit sich bringen, beanspruchen die geistigen – intellektuellen und affektiven – Fähigkeiten der menschlichen Person, aber sie lassen den Leib nicht hinter sich. Menschen sind physische Wesen, die eine Welt mit anderen physischen Wesen teilen. In der katholischen Theologie der imago Dei ist die tiefe Wahrheit eingeschlossen, daß die materielle Welt die Bedingungen für die gegenseitige Verpflichtung menschlicher Personen schafft.“

Häh?? Der Mensch führt seine Dienstleistung in einem physischen Universum aus? Hm. Also beim Bäcker will ich das ja schwer hoffen, wenn ich drei Mohnbrötchen will, dann sollten die sich anschließend schon kauen lassen, so ein Stück vom heiligen Geist nützt mir da wenig. Aber wie ist das im Internet? Gehört das zur physischen Welt? So Webseiten werden ja immer von einem Programm zusammengebaut, das heißt eigentlich sind sie virtuell, aber die meinen die Brötchen. Die Dienstleistungen in interpersonalen Gruppierungen lassen den Leib nicht hinter sich. Das stimmt. Es gibt aber auch Dienstleistungen, wie zum Beispiel das von der Journaille Erschaffene, die lassen den Intellekt hinter sich und es gibt ja auch Dienstleistungen, da spielt ganz im Gegenteil der Leib eine ganz zentrale Rolle. OH’OH. „Menschen sind physische Wesen, die eine Welt mit anderen physischen Wesen teilen“. Ähem. Der Ratzinger, Joseph war mal Professor? Also nicht, dass der Satz falsch ist, aber komisch ist er schon, denn nicht alles was richtig ist, ist auch gehaltvoll. „In der katholischen Theologie der imago Die ist die tiefe Wahrheit eingeschlossen, dass die materielle Welt die Bedingungen für die gegenseitige Verpflichtung menschlicher Personen schafft.“ Das heißt zu Deutsch, wenn der Bäcker kein Mehl mehr hat, gibt es keine Brötchen. Das ist ein bedauerlicher Zustand, aber ist es auch eine tiefe Erkenntnis? Sie erinnern sich daran, dass Sie der Autor mehrere Male davor gewarnt hat, allzu lange über Thomas von Aquin nachzudenken; er hat Ihnen gesagt, dass Sie Gefahr laufen, ein Hirn zu erhalten löchrig wie ein Emmentaler. Er verwahrt sich also gegen jeden Vorwurf, dass Sie durch die Lektüre Schaden genommen haben, führt Ihnen aber die möglichen fatalen Konsequenzen nochmals anhand von Beispielen vor Augen.

Eine Fülle von Warnungen finden Sie auch hier.

http://www.vatican.va/phome_ge.htm

Dann unter grundlegende Texte. Da finden Sie vieles, das tönt mächtig nach Dante. Zum Beispiel der da.

„Gott ist in sich unendlich vollkommen und glücklich. In einem aus reiner Güte gefassten Ratschluss hat er den Menschen aus freiem Willen erschaffen, damit dieser an seinem glückseligen Leben teilhabe. Deswegen ist er dem Menschen jederzeit und überall nahe. Er ruft ihn und hilft ihm, ihn zu suchen, ihn zu erkennen und ihn mit all seinen Kräften zu lieben. Er ruft alle durch die Sünde voneinander getrennten Menschen in die Einheit seiner Familie, die Kirche. Er tut es durch seinen Sohn, den er als Erlöser und Retter gesandt hat, als die Zeit erfüllt war. In ihm und durch ihn beruft er die Menschen, im Heiligen Geist seine Kinder zu werden und so sein glückseliges Leben zu erben.“

http://www.vatican.va/archive/DEU0035/_P8.HTM

Lucy in the sky with diamonds. Ich gehe mal davon aus, dass nicht nur Gott glücklich ist, sondern dass auch im Vatikan voll die Post abgeht. Dagegen ist erstmal nichts einzuwenden, Probleme entstehen nur dann, wenn sich die dort Versammelten in göttlichem Ratschluss zusammenfinden, um zu ökonomischen Fragen Stellung zu nehmen. Das überlässt man dann doch besser den Profis.

Doch dass du frei kommst aus den Dunkels Zwange,
Bedenk: Wer war er? Und aus welchen Gründen
Entstand sein Wünschen, als es hieß: Verlange!

Die Divina Commedia fängt ja an mit den Versen „musst ich in Waldesnacht verirrt mich schauen / weil ich den Pfad verlor des rechten Strebens“. Ganz am Anfang hätte man noch vermuten können, dass es gewichtige Gründe dafür gegeben hat, dass er aus der Waldesnacht nicht mehr herauskam. Wenn aber der Grund seiner inneren Unruhe der war, dass ihm nicht ganz klar war, ob Salomon jetzt der Weiseste ist oder Zweitweiseste, dann hätte er besser daran getan, von der Waldesnacht in die nächste Kneipe zu laufen, sich ordentlich einen hinter die Binde zu kippen und dann mal zwei Tage zu schlafen. Wir stellen also fest, dass Dante seinen Zustand weit schlimmer eingeschätzt hat, als er tatsächlich ist. Im Original geht das so.

Ma perché paia ben ciò che non pare,
pensa chi era, e la cagion che 'l mosse,
quando fu detto "Chiedi", a dimandare.

Doch da es scheint, wie es nicht ist,
bedenke wer er war, und der Grund, der ihn bewegte
Als er aufgefordert ward zu wünschen

Die Stelle bezieht sich auf Könige, 3, 1 ff:

Und Salomo verschwägerte sich mit Pharao, dem König in Ägypten und nahm Pharaos Tochter und brachte sie in die Stadt Davids, bis er ausbaute sein Haus und des HERRN Haus und die Mauer um Jerusalem her. Aber das Volk opferte noch auf den Höhen; denn es war noch kein Haus gebaut dem Namen des HERRN bis auf die Zeit. Salomo aber hatte den HERRN lieb und wandelte nach den Sitten seines Vaters David, nur daß er auf den Höhen opferte und räucherte. Und der König ging hin gen Gibeon daselbst zu opfern; denn das war die vornehmste Höhe. Und Salomo opferte tausend Brandopfer auf demselben Altar. Und der HERR erschien Salomo zu Gibeon im Traum des Nachts, und Gott sprach: Bitte, was ich dir geben soll! Salomo sprach: Du hast an meinem Vater David, deinem Knecht, große Barmherzigkeit getan, wie er denn vor dir gewandelt ist in Wahrheit und Gerechtigkeit und mit richtigem Herzen vor dir, und hast ihm diese große Barmherzigkeit gehalten und ihm einen Sohn gegeben, der auf seinem Stuhl säße, wie es denn jetzt geht. Nun, HERR, mein Gott, du hast deinen Knecht zum König gemacht an meines Vaters David Statt. So bin ich ein junger Knabe, weiß weder meinen Ausgang noch Eingang. Und dein Knecht ist unter dem Volk, das du erwählt hast, einem Volke, so groß daß es niemand zählen noch beschreiben kann vor der Menge. So wollest du deinem Knecht geben ein gehorsames Herz, daß er dein Volk richten möge und verstehen, was gut und böse ist. Denn wer vermag dies dein mächtiges Volk zu richten? Das gefiel dem HERRN wohl, daß Salomo um ein solches bat. 11Und Gott sprach zu ihm: Weil du solches bittest und bittest nicht um langes Leben noch um Reichtum noch um deiner Feinde Seele, sondern um Verstand, Gericht zu hören, siehe, so habe ich getan nach deinen Worten. Siehe, ich habe dir ein weises und verständiges Herz gegeben, daß deinesgleichen vor dir nicht gewesen ist und nach dir nicht aufkommen wird. Dazu, was du nicht gebeten hast, habe ich dir auch gegeben, sowohl Reichtum als Ehre, daß deinesgleichen keiner unter den Königen ist zu deinen Zeiten.
Und so du wirst in meinen Wegen wandeln, daß du hältst meine Sitten und Gebote, wie dein Vater David gewandelt hat, so will ich dir geben ein langes Leben. Und da Salomo erwachte, siehe, da war es ein Traum. Und er kam gen Jerusalem und trat vor die Lade des Bundes des HERRN und opferte Brandopfer und Dankopfer und machte ein großes Mahl allen seinen Knechten.

Salomo bat also um Weisheit und das wurde ihm von Gott konzediert.

Nun muss sich‘ s klar nach meinem Wort dir künden:
Nach Weisheit nur ging dieses Königs Streben,
Mit Herrschertugend wollt er sich verbünden!

Im Original

Non ho parlato sì, che tu non posse
ben veder ch'el fu re, che chiese senno
acciò che re sufficiente fosse;

Ich habe nicht so gesprochen, damit du
nicht erkennest, dass es der König war, der
wissen wollte, was es eines Königs bedürfe

Das soll heißen, dass man Salomon im Hinblick auf Weisheit nicht mit Adam vergleichen dürfe, weil der eine ja die Weisheit verlangte, die im Rahmen seiner Tätigkeit nötig war, nicht die allgemeine Weisheit. Thomas von Aquin stellt also eine hirnverbrannte, an den Haaren herbeigezogene Frage und gibt auf diese eine noch hirnverbranntere und noch mehr an den Haaren herbeigezogene Antwort. Das scheint zwar, schaut man sich den oben erwähnten Link zum Vatikan an, bei Theologen üblich zu sein, kann aber nur solange gut gehen, wie der Staat das Geld eintreibt, das es manchen Leuten erlaubt, sich mit solchem Mumpitz zu beschäftigen. Wenn Dante sich also beklagte, dass er in ewiger Armut lebte, dann kann das auch schlicht daran liegen, dass er, anstatt sich eine richtige Arbeit zu suchen sich mit Mumpitz beschäftigt hat.

Nicht: Wieviel Sternbeweger droben schweben
Wollt er erfahren – nicht: ob das necesse
Mit Möglichem Notwendges kann ergeben,

Im Original

non per sapere il numero in che enno
li motor di qua sù, o se *necesse*
con contingente mai *necesse* fenno;

er strebte nicht zu wissen, wieviele
Beweger sich oben befinden, oder ob Notwendiges
Mit Zufälligem etwas Notwendiges begründet

Dante kann es einfach nicht lassen, selbst in Trivialzusammenhängen irgendwelchen angelesenen Quark einzubauen, in der Hoffnung, dass so der Blödsinn irgendwie intelligent aussieht. Sagen will er, dass Salomon nicht wissen wollte, wieviele bewegende Intelligenzen es gibt oder ob eine notwendige Bedingung zusammen mit einer nicht notwendigen Bedingung eine notwendige Bedingung ergeben -
er sich also weder für Theologie noch für Philosophie interessierte.

Nicht: Si est dare primum motum esse
Noch: ob im Halbkreis kann ein Dreieck stehen,
Wo nicht ein Winkel neunzig Grade messe.

Im Original

non *si est dare primum motum esse*,
o se del mezzo cerchio far si puote
triangol sì ch'un retto non avesse

er wollte auch nicht wissen, ob es etwas Bewegtes gibt, das nie ward angestoßen,
oder ob man in einen Halbkreis ein Dreieck zeichnen könnte
das keinen rechten Winkel besäße

Das mit dem bewegten Unbewegten ist die Geschichte mit dem primum mobile, also irgendjemand muss da mal angestoßen haben. Zu dem Dreieck kann man sagen, dass alle Rechtecke in einem Halbkreis (wenn eine Kante des Dreiecks vollständig auf dem Durchmesser des Halbkreises sitzt) rechtwinklige Dreiecke sind. Es ist der Satz des Thales. Das ist hier kurz und bündig erklärt:

http://www.mathematische-basteleien.de

Sagen will uns Dante, dass Salomon also weise war, was die Dinge betraf, die man brauchte um König zu sein. Das Problem dabei ist, dass das mit dem Anfang des Geträllers kaum noch was zu tun hat. Ursprünglich wollte er uns erzählen, dass sein Spruch „ihm gleicht kein zweiter“ der Aussage, dass Adam und Christus weiser waren als Salomon, weil ja direkt von Gott erschaffen, nicht widerspricht. Das hätte er auf diese Kurzformel bringen können: Salomon war weise, aber nur in Bezug auf die Ausübung seines Regierungsamtes. Adam und Christus waren aber ganz weise, weiser als Salomon, weil das eine uneingeschränkte Weisheit war; denen hat ja Gott direkt die Weisheit ins Hirn gepustet. Wenn wir jetzt noch wüssten, warum Adam weise war, worin sich das konkret zeigt, wären wir restlos glücklich. Bei Christus könnte man, der Tradition folgend, ja Weisheit vermuten, obwohl der Autor es nicht für besonders weise hält, sich ans Kreuz nageln zu lassen, weil 5000 Jahre vorher eine Frau einen Apfel verspeist und daran von ihrem nicht besonders weisen Gatten nicht gehindert wird. Der business plan der christlichen Kirchen ist so ziemlich das Eigenartigste, was dem Autor je untergekommen ist. Sie bezieht als Braut Jesu sozusagen eine Witwenrente für die Verdienste ihres Mannes, die darin bestanden, dass er die Menschheit von der Erbsünde befreit hat, die sich wiederum aus der Tatsache ergeben hat, dass eine Frau einen Apfel gegessen hat. Diesbezüglich war Jesus einer der ersten Beamten. Die Rente ergibt sich ja normalerweise aus der Lebensleistung eines Menschen, wie sie sich aus objektiven Marktverhältnissen ergibt. Bei Beamten existiert aber kein Markt und folglich auch kein objektiver Preis für dessen Leistung. Die Frage, die zu stellen wäre ist, wie viele Menschen dafür bereit wären zu zahlen, dass irgendjemand sie vor 2000 Jahren von einer Erbsünde befreit hat, die wiederum in einem Sachverhalt begründet ist, der sich 5000 Jahre vorher abgespielt hat. Da wir aber wohl irgendwie bei glauben oder nicht glauben gelandet sind, kann man den Begriff Glaube mal etwas eingrenzen. In der Regel „glaubt“ jemand etwas, weil er dies aufgrund einer Vorerfahrung für plausibel hält. Zahlt jemand immer seine Schulden, gibt man ihm Geld, weil man davon ausgeht, dass er diese auch diesmal zurückzahlen wird. Das ist der Normalfall. Von mir aus kann man auch etwas glauben, bei dem keine Vorerfahrung vorliegt, von mir aus kann man an die Existenz irgendeines Schöpfers glauben, zumindest in den Bereichen, wo es keine alternativen Vorstellungen gibt. Beim Christentum allerdings ist es eine ziemlich verschärfte Version von Glauben. Hier soll man an etwas glauben, das konträr zu jeder Vorerfahrung steht. Das hat mit Glaube gar nichts zu tun, das ist Blödheit. Die Theologen drehen die Frage ja etwas um, erläutern sie unter dem Aspekt Grenzen der Erkenntnis. Um eine solche Fragestellung handelt es sich aber nicht. Mit einer solchen Frage haben wir es zu tun, wenn keine Vorerfahrung ein Urteil zulässt, das ist aber was ganz was anderes als zu glauben, obwohl jede Vorerfahrung dagegen spricht. Diese zwei Dinge sollte man mal ganz klar auseinanderhalten. Dirais-je.

Mein Wort „ihm gleicht kein Zweiter“ sagt dir klar,
Ich meinte Könige nur an jenem Orte -
Davon gibt‘ s viel, doch sind die guten rar!

Die Feststellung, dass gute Könige rar sind, ist zutreffend, allerdings zieht Dante hieraus keine Schlüsse. Er plädiert für eine Regierungsform, nämlich das Kaisertum, das sogar zufällig jemanden nach oben spülen kann, der ab und an mal eine Lösung für anstehende Probleme hat. Allerdings wird eine Fehlbesetzung nie korrigiert, so dass sich mit fast naturgesetzlicher Sicherheit auf den verschiedenen Königsthronen die Flaschen ein Stelldichein geben.

Mit solchem Unterschied nimm diese Worte,
Dann kann‘ s mit dem bestehn, was du geglaubt
Vom ersten Vater und von unserm Horte.

Im Original

Con questa distinzion prendi 'l mio detto;
e così puote star con quel che credi
del primo padre e del nostro Diletto

Entnimm meiner Rede diese Unterscheidung
dann stimmt er mit deinem Glauben vom
ersten Vater und unserer großen Freude überein

Das Geträller ist so wirr, da fragt man sich, wieso es da nicht Kritik ohne Ende hagelt. Aus irgendeinem Grund sind Adam und Christus weise, deren Weisheit ist aber allgemein. Dann schafft Thomas von Aquin in irgendeinem Nebensatz ein Problem, weil er behauptet, dass Salomon der Weiseste ist. Dieses Problem wiederum, was gar nicht entstanden wäre, wenn er die Klappe gehalten hätte, wird dann mit einer Logik aufgelöst, für die eine Beschreibung mit ‚durch das Knie, in die Brust, ins Auge’ noch eine Lobeshymne wäre. Wir können aber hieraus einen wichtigen Schluss ziehen, die Strategie „wenn du sie nicht überzeugen kannst, verwirre sie“ wirkt immer und wird auch in einem Zeitraum von 700 Jahren nicht wirkungslos. Die verquaste in Terzinen gegossene Schreibe angereichert mit einem wilden Konvolut an geschichtlich kaum einsortierten Fakten, angelesenem Halbwissen und abstrusen Metaphern / Vergleichen suggeriert irgendwie bei manchen Leuten geballten Tiefsinn. Während jedes Werk mit einer ästhetisch stringenten Struktur und einer nachvollziehbaren Aussage der Kritik zugänglich ist, ist dieses Tohuwabohu ohne zentrales Thema, einheitlicher Linie und diesem Wust an unsortierten Fakten gegen Kritik immun.

Und dies sei Blei am Fuß dir überhaupt:
Stets, wie ein Müder, hastgen Gang zu meiden,
Wo dir nicht Ja und Nein zu sehn erlaubt.

E questo ti sia sempre piombo a' piedi,
per farti mover lento com'uom lasso
e al sì e al no che tu non vedi:

Und diese Einsicht wiege wie Blei an deinen Füßen,
dass du dich bewegen mögest wie ein Müder,
wo du nicht zu einem Urteil kannst gelangen

Wir wissen zwar zugegebenermaßen was er sagen will, dass man nämlich besser die Klappe hält, wenn man von etwas keine Ahnung hat, doch das Beispiel ist die Demonstration am ungeeigneten Objekt.

Denn wer da, ohne scharf zu unterscheiden,
Eilfertig ja und nein sagt ohne Sichtung,
Der muss den Tadel größter Torheit leiden.

Sagen will er uns, dass man sich informieren soll, bevor man etwas behauptet. Allerdings kommt außer Dante und Thomas von Aquin niemand auf die Idee, bei dem skurrilen Gebrabbel da oben zu meinen, dass da scharf unterschieden worden wäre.

Die Durchschnittsmeinung rennt in falsch Richtung
Doch gar zu oft, wo bessre Einsicht immer
Der Leidenschaft anheimfällt zur Vernichtung.

Es folgen jetzt noch ein paar Plattitüden und dann ist das Geträller zu Ende.

Wer Wahrheit fischen will, erhoffe nimmer,
Dass ohne Übung je ihm lacht Gewinn -
Nein ärmer kehrt zum Strande heim der Schwimmer.

Das mag prinzipiell richtig sein, bestimmte Sachverhalte erfordern, will man sie verstehen, tatsächlich, dass man sich länger damit beschäftigt. Es gibt aber auch Themengebiete, wie zum Beispiel Thomas von Aquin, da scheint, wie wir sehen, das Hirn weggeblasen zu werden, wenn man sich länger damit beschäftigt.

Genug Beweise gibt von solchem Sinn
Parmenides, Bryson, Meliß und viele - :
Sie gingen, doch sie wussten nicht wohin?

Im Original

E di ciò sono al mondo aperte prove
Parmenide, Melisso e Brisso e molti,
li quali andaro e non sapean dove;

Davon künden der ganzen Welt
Parmenides, Melisso und Brisso und viele,
die gingen, ohne zu wissen wohin

Was bei Dante immer wieder Tiefsinn suggeriert, sind die eingestreuten Versatzstücke seiner Halbbildung, die ohne näheren Begründungszusammenhang und ohne eine kritische, differenzierte Darstellung eingestreut werden. Ob Parmenides, Melisso und Brisso zu korrekten oder falschen Schlüssen kamen und ob sie eine Frage auf dem Niveau ihrer Zeit diskutierten oder nicht wird nicht ausdiskutiert und wir erfahren auch nicht, welche Schlüsse des Parmenides Dante konkret ablehnt. Parmenides von Ela (gest. etwa 475 vor Christus) wurde in Elea, in Süditalien geboren. Er gilt als einer der Vorläufer von Platon, einige zentrale Ideen der Philosophie Platons (die Welt als Scheinwelt = Gegensatzpaar Schein / Wirklichkeit, Idee) wird von Platon später ausgebaut. Eigenartig ist hier auch, dass Dante zwei drei der Eleaten nennt, nämlich Parmenides und Melisso, nicht aber Zeno, der die Lehre seines Lehrers verteidigte und auch bei dem von Dante so heiß geliebten Aristoteles in hohem Ansehen stand. Eine ausführlichere Darstellung der Vorstellungen des Parmenides findet sich hier http://lf.clavmon.cz/LF/Sample%20issue/03drvota.pdf. Probleme mit der Aussage Dantes bestehen auch insofern, als Parmenides und Melisso zu bestimmten Fragen unterschiedliche Positionen einnehmen. Bryson von Herakleia (geb. 450 vor Christus, gest. 390 vor Christus) beschäftigte sich mit der Quadratur des Kreises. Was Dante an dessen Ideen nun mißfallen hat, inwiefern er sie kannte und verstanden hat, wissen wir nicht. Die gelieferte Information ist also weitgehend kompletter Blödsinn. Inwiefern sie gingen, ohne zu wissen wohin, ist ebenfalls unklar. Bis jetzt wissen wir ja nur, dass Dante in ein Paradies steigt, dessen einzige Attraktivität darin besteht, dass da ein Haufen Leute einen Haufen dummes Zeug reden.

Auch Arius, Sabell. Die – weit vom Ziele -
Wie Schwerter fahren durch die heilgen Schriften,
Bis dass ihr gradgebornes Auge schiele.

Sabellio (drittes nachchristliche Jahrhundert) hatte dann eine dritte Form der Trinität. Er behauptete die Einheit Gottes bzw. seiner Wesenheiten; derselbe Gott hat also lediglich drei verschiedene Namen. Als Schöpfer heißt er Vater, in der Inkarnation ist es der Sohn und wenn er die 12 Apostel leitet ist es der heilige Geist. Es gibt also von der Trinität x verschiedene Versionen, eine so behämmert wie die andere, aber nur die katholische Version ist natürlich die richtige. Man fragt sich natürlich, wie man wegen so einer Frage zu fast bürgerkriegsähnlichen Zuständen kommt. Im Kern geht es wohl darum, dass die Besonderheit Jesu herausgestellt werden muss, denn sonst ist er bedeutungslos und der Unterschied zum Judentum gering. Damit die Kirchenbraut nach dem Tode ihres Gatten Ansprüche geltend machen kann, muss dieser Gatte bedeutend gewesen sein.

Wie oft schon sah ich doch in Wintertagen,
Dass Dornenbüsche stachelspitzig standen,
Die blühnde Rosenmäntel bald getragen.

Unsere Erwartungshaltung an die dichterischen Fähigkeiten Dantes haben sich ja inzwischen an dessen Möglichkeiten angepasst, wir sind also schon überrascht, wenn er es mal schafft, irgendeine Terzine zusammenzubauen, ohne dass er vorher in irgendeiner mittelalterlichen Enzyklopädie irgendwelches halbverdautes Wissen herausgepult hätte. Diese Terzine geht so ein bisschen in Richtung Dichtung. Sagen will er uns, dass der Schein der Dinge trügen kann und sich hinter der Oberfläche noch was anderes verbergen kann.

Und sah schon stolz und schnell durch Meeresbranden
Manch Fahrzeug ziehn und seinem Glück vertrauen,
Das – schon im Hafen – elend musste stranden!

Das ist dann auch ein fast schon poetisches Bild mit umgekehrtem Vorzeichen. War oben Unklarheit, die zur Klarheit führte, herrscht hier Klarheit, aber dies führt zur Unklarheit bzw. ins Chaos. Wobei das bei Dante nicht viel sagt, denn er ist der felsenfesten Überzeugung, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben.

Drum soll nicht gläubig Hinz und Kunz drauf bauen,
Wenn sie den stehlen, jenen opfern sehen,
Dass sie nun Gottes Ratschluss schon durchschauen:

Denn der kann fallen, jener kann erstehen!“

Im Original

Non creda donna Berta e ser Martino,
per vedere un furare, altro offerere,
vederli dentro al consiglio divino;
ché quel può surgere, e quel può cadere

Es soll nicht irgendjemand glauben,
der einen stehlen, den andern opfern sieht,
hierin schon den Ratschluss Gottes zu sehen

denn der kann auferstehen und jener fallen

Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube, denn genau das ist das Problem Dantes, vor allem in der Hölle und im Purgatorio. Bei den meisten Figuren kommt es zu keiner Würdigung der Gesamtumstände, abgestellt wird auf einzelne Ereignisse, die teilweise nicht mal stimmen. Die irgendwo mal zitierte Bemerkung eines verbeamteten Geistlichen, dass es sich bei der Divina Commedia um einen Roman handelt, ist also völliger Unsinn. Ein Roman zeichnet, in unserem heutigen Verständnis, die innere Dynamik einer Person nach. Wie diese verstanden wird, weitgehend triebhaft, elementar und determiniert wie im Naturalismus oder getrieben von gesellschaftlichen Konventionen wie im Realismus, als determiniert durch das Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse wie bei Peter Weiß mit Klassenkampf und pipapuf oder als Ausdruck einer grundsätzlichen Seinslage des Menschen wie bei Kafka oder im Existenzialismus etc. etc. ist hierbei offen, so offen auch wie das ästhetische Prinzip dahinter oder die Erzähltechniken (auktorial, personal, chronologisch, innerer Monolog etc. etc.). Immer geht es im Roman um die Beschreibung von Menschen unter dem Blickwinkel einer bestimmten Weltsicht und eines bestimmten ästhetischen Prinzips. Bei Dante dienen die Personen aber nur noch der Exemplifizierung eines Weltbildes. Die innere Dynamik wird nicht beschrieben. Im Grunde macht nicht einmal die Hauptperson, Dante selbst, irgendeine Entwicklung durch, außer dass er sich halt den ganzen theologischen Müll anhört und irgendwann vor Erleuchtung glüht. Wir konzedieren, dass es dem mittelalterlichen Mensch nicht möglich war einen Roman zu schreiben. Der Unterschied zwischen der Divina Commedia und einem Roman ist in etwa der gleiche wie der zwischen Gotik und Expressionismus. Interessanter aber als der Versuch das Thomas von Aquin Geblubbere nachzuzeichnen und darüber einen Lastwagen voll Bücher zu schreiben, wäre der Versuch gewesen zu verstehen, wodurch diese totale Abwesenheit des Individuums und damit zusammenhängend auch die totale Unfähigkeit dieses zu erfassen bedingt ist.