Bei dem neunten Gesang wissen wir im Grunde gar nicht, warum er überhaupt existiert. Der tiefste Grund dürfte wohl sein, dass jede Stufe dreiundreißig Geträller haben muss, die drei steht dann irgendwie für die Trinität (…im Namen des SOHNES, des VATERS und des HEILIGEN GEISTES, Amen) und das hat dann irgendwie ein ganz tiefe, metaphysische Bedeutung oder ist schlicht der Tatsache geschuldet, dass Dante für seine Dichtung keine innere künstlerische Stringenz gefunden hat und folglich diese durch einen Hokuspokus ersetzte. Wir sind auf jeden Fall immer noch im Himmel der Venus, da also, wo die hausen, die auf Erden zuviel und vor allem nicht in Richtung Himmelreich liebten.

Schöne Clemenza, als dein Karl im Wahren
Mich so belehrt, wies er den ränkevollen
Betrug mir noch, der euch widerfahren

Also Clemenza heißt sowohl die Gattin wie auch die Tochter des Karl Martell. Seine Frau Clementia war die Tochter von Rudolf I, seine Tochter starb 1328 in Paris, lebte also 33 Jahre länger als ihr Gatte Karl Martell, der 1295 starb. Welche von den beiden Dante anspricht ist unklar, wahrscheinlich letztere, die ging ins Kloster nach dem Tod ihres Gatten, das muss einfach direkt ins Paradies führen. Raffiniert ist nun, dass wir hier feststellen, dass Dante uns glatt einen Teil des Gespräches mit Karl Martell unterschlagen hat. Offensichtlich hat er ihm noch die Schandtaten seines Bruders Robert von Anjou geschildert. Dieser hatte den Sohn Karl Martells, Karl Robert von Anjou, die Krone des Königreiches Neapel gemopst. Dieser Sohn wurde aber später König von Ungarn. Kann man nur hoffen, dass er Ungarisch konnte, das ist nämlich eine echte intellektuelle Herausforderung.

Doch schloss er: „Schweig, und lass die Jahre rollen.“
Drum schweig ich denn und künde nur: Dass bald des
Räubers Augen euch nachweinen sollen.

Auf was genau angespielt wird ist unklar. Wahrscheinlich mag Dante Robert von Anjou nicht, denn dieser lag im Dauerclinch mit dem von Dante hochverehrten Heinrich VII. Er wünscht ihm von daher natürlich die Pest an den Hals.

Schon wich zurück die heilige Gestalt
Zur Sonne, die ihr Lebensfülle spendet
Als ihrem Quell, der unversiegbar wallt.

Die Sonne ist hier wahrscheinlich Gott. Zwar ist die Sonne nach dem ptolemäischen Weltbild gleich der nächste Stern, wie diese Grafik zeigt:

Aus: http://de.wikipedia.org/
Da es aber die ganze Zeit Gott ist, der Ursprung und Ende ist, gehen wir mal davon aus, dass hier irgendwie die Sonne symbolisch für Gott steht. Auch die nächste Terzine lässt vermuten, dass die Sonne für Gott steht.

Weh euch, ihr Seelen, ruchlos und verblendet,
Nach eitlen Dinen eure Stirn zu neigen,
Indem ihr euer Herz vom Lichte wendet

Es muss sich also um Gott handeln. Bei der Sonne ist das ja so eine Sache. Von dieser wendet man sich am besten mal ab, sonst bekommt man ganz mächtig einen Sonnenbrand, also die Sonne kann er so als Sonne einfach nicht meinen. Von Gott allerdings, zumindest meint das Dante, kann man gar nicht genug kriegen. Der Autor sieht das natürlich pragmatischer. Gegen die Sonne gibt es ja Sonnencreme, aber was gibt es gegen Gott und seine irdischen Stellvertreter wie den Ratzinger, Joseph?
Und eine andre Flamme aus dem Reigen
Hertrat und schien diensteifrig ihr Verlangen
Durch hellres Leuchten liebreich anzuzeigen

Eigenartigerweise macht Dante überhaupt keine Aussage, wie hell es eigentlich ist im Paradies. Ist es taghell, dann kann Dante kaum aus seiner Erfahrung schöpfen, denn bei Tageslicht sind effektvolle Lichteffekte eigentlich nur mit Strom erzielbar. Wir dürfen also vermuten, dass es im Paradies zappenduster ist. Zweitens müsste Dante mal genau klären, wie es sein kann, dass die alle ihr Licht von oben erhalten aber trotzdem ihre Strahlkraft beeinflussen können.
Den Blick an mir ließ Beatrice hangen
Und sah mich mit dem alten Lächeln an,
Das mit Gewährung stets gestärkt mein Bangen,

Worauf ich der seligen Glut begann:
„Erhör mich, lass Gewissheit mich durchdringen,
Dass ich in dir mein Denken spiegeln kann.“

Wieso er ständig irgendjemand anglotzt, bevor er redet, zuerst Vergil und dann Beatrice, begreift kein Mensch. Verstehen könnte man das ja, wenn er sowas sagen würde.

Du glühend Licht, du Augenstern
wenn deine Lippen deren Anblick schon ein Kuss
sich öffnen und den Schimmer deiner Perlen ich erblicke

deine Augen die wie Mandeln sind geformt
mich treffen und mich von allem Erdendust befreien
sage mir du süsse Puppe, was hast du vor heut‘ nacht?

Dann wäre sie natürlich stinksauer, die Beatrice, das ist klar. Bei dem Taterkreis Getratsche allerdings, das Dante da abspult, besteht ja wirklich kein Anlass, irgendwie eifersüchtig zu werden. Die einzig denkbare Ehefrau für Dante ist eh eine Nonne, das ist der einzige Frauentyp, der sich stundenlang irgendwelches Getratsche über Thomas von Aquin anhört.

Da fing im Hintergrund an zu singen
Die mir noch fremde, wo sie erst gesungen,
Als freute sie‘ s, mir Wohltat darzubringen

Also über die Musik bei Dante hat die Dantegesellschaft ja mal einen Vortrag organisiert.
http://web.uni-marburg.de/hosting/ddg/aktuelles.html
Da dann bei Vorträgen vom Samstag 11. Oktober 2008 schauen. Alter Schwede. Der Autor fragt sich wie man darauf einen Vortrag machen könnte. Wenn der Autor so einen Vortrag halten würde, dann wäre das so.

Dantes Musikantenstadl: Verzückung im Weltraum

Dann würde er eine geschlagene halbe Stunde schweigen und dann „Danke, für Ihre Aufmerksamkeit“ sagen. Wenn Dante nichts schreibt, wie die Musik klingt, man darüber also nur Mutmaßungen anstellen kann, dann sollen sich die verbeamteten Geistlichen gefälligst auch den Vortrag dazu selber vorstellen.

Was übrigens bei Dante wirklich interessant ist, ist nicht der Text selber, der ist ganz schrecklich Banane, aber die Rezeption und die Kommentare dazu, das haut einen immer wieder um. Zum Beispiel sowas.

Why Dante: Dante Alighieri is undoubtedly the greatest literary expression of the Medieval culture; moreover he’s the greatest Italian poet, and maybe the greatest poet ever lived. His work and his life are high examples of coherence, magnanimity and greatness. That's why Dante.

Aus: http://www.greatdante.net
Irre oder? Dante der größte Poet, der jemals gelebt hat. Stellt der einfach mal so fest.

Aus der oben genannten Terzine kann man nur entnehmen, dass die Frau sich bemüht hat, ihm mit ihrem Gesang zu gefallen. Das nächste Problem ist übrigens, dass es auch für Musik eine Atmosphäre braucht, irgendwas muss die Schallwellen ja übertragen. Wir lernen also, dass die Venus bei Dante eine Atmosphäre hat. Ohne ein Transportmedium, dass die Schallwellen weiterträgt, kann die trällern bis der Arzt kommt. Die nächste Frage wäre natürlich, in welcher Sprache die eigentlich geträllert haben. Der Autor freut sich zwar auch immer, wenn die Gringonen bei Deep Space Nine Deutsch sprechen, schließlich sind wir ja das Volk der Dichter und Denker, Deutsch wird auch im Lichtjahre entfernten Gamma Quadranten 9/12/ gesprochen, aber die trällern wahrscheinlich glatt auf Lateinisch. Kann aber auch sein, dass der Heilige Geist das Chaos, das er in Babylon angerichtet hat, wieder rückgängig gemacht hat. Und was singt die gute Frau. Na logo, „sie sang das alte Entsagungslied, das Eiapopeia vom Himmel“. Sie singt vom irdischen Jammertal.

„In des verderbten Welschlands Niederungen
Zwischen der Brenta, der Piava Quelle
Und dem Rialto, meeresflutumschlungen,

Hebt sich ein flacher Berg, von dem die schnelle
Brandfackel einst sich wütend talwärt schwang,
Dass grausam Schrecken sie das Land erhelle

Mit ihr aus einer Wurzel ich entsprang!
Cunizza war ich und ich strahle hier,
Weil diese Sterne Glutlicht mich bezwang

Also mal piano, piano. Beschrieben wird eine Landschaft. Osterei number one. Aus dieser kommt eine Brandfackel. Osterei number two. Und aus dieser Gegend stammt eine Cunizza. Osterei number three. Fangen wir mal an mit der Landschaft, also mit der ersten Terzine (In des verderbten Welschland Niederungen…). Die geht im Original so:

in quella parte della terra prava
italica che siede tra Rialto
e le fontane di Brenta e di Piava

in jenem Teil des verruchten Landes
Italien welches zwischen dem Rialto
Und den Quellen der Brenta und Piava sich befindet

Das mit dem Welschland ist ein bisschen komisch. Mit Welschland übersetzen Zoozmann und Falkenhausen, Gmelin mit verrucht. Das Adjektiv pravo ist zwar im heutigen Standarditalienisch nicht mehr im Angebort, dafür aber das Verb depravare (verderben) und von da kommt es her. Welschland war tatsächlich mal ein Ausdruck für Italien (in Deutschland und Österreich), heute bezeichnen die Schweizer damit den französischsprachigen Teil der Schweiz, also die Romandie. Kann man also machen, das mit dem Welschland, auch wenn es sich auf Italien bezieht, aber eigentlich steht das verdorbenes / verruchtes Land. Von diesem verruchten Land ist aber nur ein Teil gemeint, nämlich der zwischen dem Rialto und den Quellen der Brenta und des Piava. Rialto steht hier für Venedig (Rialto war eine Gruppe kleiner Inseln, die den Kern Venedigs bildeten). Brenta ist ein Fluss in Norditalien, er entspringt südöstlich von Trient. Die Gegend, die er meint ist also die da.

Der flache Berg (…hebt sich ein flacher Berg) ist der Colle di Romano, ein Berg 4 km von Bassano del Grappa gelegen. Er war der Regierungssitz von Ezzelino. Ezzelino III regierte in der Marca Trevigiana (das ist die Gegend, die in etwa mit dem oben beschriebenen Landstrich übereinstimmt) von 1223 bist 1259. Er war ein getreuer Vasall von Friedrich II (also des Urenkels von Kaiser Barbarossa) und foglich Ghibelline. Verona war für den Durchmarsch der Truppen Friedrichs II nach Italien von entscheidender strategischer Bedeutung. Er galt seinen Zeitgenossen, insbesondere dem Bürgertum und dem niederen Adel, die eher Guelfen waren, als Tyrann. Er wurde 1259 in der Schlacht bei Cassano d' Adda gefangenommen und verstarb, als er sich weigerte, seine Wunden kurieren zu lassen. Die Geschichte mit der Fackel (...von dem die schnelle Brandfackel einst sich wütend talwärt schwang…) beruht auf einem Gerücht, das damals im Umlauf war. Die Mutter von Ezzelino träumte vor ihrer Niederkunft, dass sie eine Fackel gebären wird, die die ganze Marca Trevigiana verbrennen wird. Die, die da spricht ist nun die Schwester jenes Ezzelino (…Mit ihr aus einer Wurzel ich entsprang…): Cunizza. Sie war schon mal da. Sie war eigentlich mit Riccardo di San Bonifacio verheiratet, Graf von Verona, langweilte sich aber mit diesem und machte sich mit Sordello, der ist noch im Läuterungsberg, aus dem Staub. Nach der etwas schrägen Weltsicht Dantes tat sie also der Liebe zuviel und landet auf der Venus, wo all die landen, deren Liebe sich nicht gen Himmel richtete. Sie verbrachte den letzten Teil ihres Lebens in Florenz, wo Dante sie kennen lernte.

Doch ohne Reu verzeih ich selber mir
Die Ursach meines Loses freudger Seele,
Scheint‘ s eurem Pöbel auch unglaublich schier.

Uns würde jetzt natürlich wieder brennend interessieren, was sie genau angestellt hat, aber BILD war nicht dabei, kein Paparazzi Foto, keine Schlachtzeile, nix. Wäre ja was gewesen: CUNIZZA UND SORDELLO DER ERSTE KUSS WAS WUSSTE DANTE ? Wäre gut, is aber nich. Gut wäre auch sowas. CUNIZZA UND DANTE AUF DER PIAZZA DELLA SIGNORIA SCHMEISST ER THOMAS VON AQUIN IN DIE ECKE ?

Von diesem teuren funkelnden Juwele
Hier neben mir bleibt großer Ruhm den Euren;
Eh dass an Glanz es seinem Namen fehle,

Muss fünfmal das Jahrhundert sich erneuern.
Sieh: ob den Menschen nicht zum zweiten Leben
Die Trefflichkeit im ersten soll befeuern!

Im Original

Di questa luculenta e cara gioia
del nostro cielo che più m'è propinqua,
grande fama rimase; e pria che moia,

questo centesimo anno ancor s'incinqua:
vedi se far si dee l'omo eccellente,
sì ch'altra vita la prima relinqua.

Von der leuchtenden und teuren Freude
unseres Himmels wird großer Ruhm verbleiben,
dem, der mir am nächsten; bis er stirbt

wird dieses Jahrhundert sich verfünffachen:
du siehst, dass der herausragende Mensch sich auszeichnen muss,
damit im anderen Leben noch etwas verbleibt vom ersten

Also was sie uns sagen will ist schlicht das. Der neben ihr hat soviel Ruhm erworben, dass sich die Menschen noch in fünfhundert Jahren an ihn erinnern, womit wir mal wieder beim Thema wären. Wittgenstein hat Recht: Was sich sagen lässt, lässt sich klar sagen. Falsch ist der andere Satz Wittgensteins: Die Grenzen meiner Sprache, sind die Grenzen meiner Welt. Da überschätzt er Sprache. Jenseits der Sprache, beginnt die Dichtung. Sie spricht von dem, was sich nicht sagen lässt. Bei Dante allerdings haben wir es mit Trivialzusammenhängen zu tun. Die lassen sich ganz einfach beschreiben. Dann haben wir hier einen ganz speziellen Typ von Osterei. Das Osterei ist erstmal, dass wir nicht wissen, wer den jetzt eigentlich neben ihr steht. Das spezielle an diesem Osterei ist, dass wir aus den Fakten auch nicht ermitteln können, wer es ist. Wir müssen noch 18 Terzinen warten, bis uns derjenige, der neben ihr steht, verrät, wer er denn nun eigentlich ist. Wir hätten also noch ein Thema für eine Dissertationsarbeit: Typologisierung des Ostereis in der Divina Commedia unter rezeptiven Gesichtspunkten. Ein Beitrag zur neueren Dante Forschung. Allein schon für den Titel würde der Autor ein Summa cum Laude vergeben. Cunizza auf jeden illustriert uns jetzt anhand von Beispielen, dass die Erde ein Jammertal ist. Auch hier könnte man natürlich Dichtung, also zum Beispiel Goethes Faust einem Terzinenschmied gegenüberstellen. Das Thema ist das gleiche, das irdische Jammertal eben, das eine ist aber Dichtung und das andere ist das Einkommensteuergesetz in Terzinenform.

Faust (Studierstube), Goethe

Soll ich vielleicht in tausend Büchern lesen,
Daß überall die Menschen sich gequält,
Daß hie und da ein Glücklicher gewesen?-
Was grinsest du mir, hohler Schädel, her?
Als daß dein Hirn, wie meines, einst verwirret
Den leichten Tag gesucht und in der Dämmrung schwer,
Mit Luft nach Wahrheit, jämmerlich geirret.
Ihr Instrumente freilich spottet mein,
Mit Rad und Kämmen, Walz und Bügel:
Ich stand am Tor, ihr solltet Schlüssel sein;
Zwar euer Bart ist kraus, doch hebt ihr nicht die Riegel.

Und jetzt kommt unser Terzinenschmied. Wir hatten schon den Vergleich mit Chayam, dem Perser, der sogar älter ist als Dante. Ein Teil des Unvermögens verbuchen wir noch unter der Kategorie Mittelalter, aber einen anderen Teil verbuchen wir unter unfähig und zwar deshalb, weil die Vita Nova eindeutig zur Kategorie Dichtung gehört. Das Hirn hat ihm erst Thomas von Aquin weggepustet. Den hätte er aber nicht lesen müssen, für das Desaster ist Dante selbst verantwortlich. Die Vita Nova zeigt, dass man auch im Mittelalter dichten konnte, sogar dass Dante selbst dies konnte. Er hätte sich ja mal mit den Frauen von Florenz beschäftigen können, dann wäre sowas rausgekommen.

http://www.spanisch-lehrbuch.de

Hätten das alle gemacht, hätten sie ihren Spaß gehabt im Mittelalter, die Divina Commedia wäre nie geschrieben worden und die kleinen Italiener würden in der Schule nicht mit so einem Schrott gequält. Man würde dort Cesare Pavese lesen, das ist für eine Einführung in die Literatur deutlich besser geeignet. Im übrigen hat der Autor schon festgestellt, dass auch Professoren manchmal Dante absolut nicht goutieren. Er erinnert sich da noch an eine Klausur an der Uni, in Betriebswirtschaftslehre, da ging es um Leverage Effekt, interne Zinsfußmethode, Wandelanleihen, Optionsscheine, Bundesobligationen und so ein Quatsch. Da dachte der Autor so ein Gedicht am Anfang muss den Prof doch freuen und setzt folglich das an den Anfang.

O Musen, Himmelstöchter steht mir bei
Gedächtnis, das du schriebst was ich gesehen
Jetzt offenbare deinen Adel frei

Und das Ergebnis ? Rot durchgestrichen und ein dickes Fragezeichen am Rande. Die BWL Profs sind halt auch ziemliche Hornochsen, so in dem Zusammenhang ist das doch witzig, oder? Der Autor hat ja auch schon unterichtet an einer Uni, Informatik. Er hätte sich gefreut und einen dicken Pluspunkt vergeben. Doch zurück zu unserem Terzinenschmied.

Doch will so kühn das Volk sich nicht erheben,
Das Etsch und Tagliamento hält umschlossen,
Selbst Unglück lässt es nicht in Reue schweben

Doch bald kommt Paduas Blut zum Sumpf geflossen,
Der um Vicensa spült in trägen Wellen,
Weil man der Bürgerpflicht dort ist vergessen

Im Original

E ciò non pensa la turba presente
che Tagliamento e Adice richiude,
né per esser battuta ancor si pente;

ma tosto fia che Padova al palude
cangerà l'acqua che Vincenza bagna,
per essere al dover le genti crude;

Doch daran denkt sie nicht, die Meute die heut haust,
in jener Gegend, die von Tagliamento und Adice ist umschlossen,
nicht mal durch Schläge fühlt sie Reue

aber bald wird Padua mit seinem Blute
tränken, die Wasser welche Vincenza baden,
damit das rohe Volk gehorche

Das ist jetzt wieder ein klassisches Osterei, also eines, bei dem der Text Anhaltspunkte darüber gibt, wie der Text zu verstehen ist. Allerdings handelt es sich um ein Osterei der Güteklasse A, also der gehobenen Kategorie. Die Gegend zwischen Etsch und Tagliamento ist Treviso. Es wird also geschehen, so die Prophezeihung der Cunizza, dass der Fluss der durch Vincenza fließt (der Bacchiglione) getränkt ist mit dem Blute der Einwohner Paduas. An diesem Bacchiglione liegt übrigens sowohl Vicenza wie auch Padua.



So weit so gut, jetzt wissen wir immerhin schon mal, welche Städte sich da gekeilt haben. Jetzt müsste man nur noch wissen, wer konkret. Vicenza stand damals unter der Kontrolle des Cangrande I della Scala (geb. 1291, gest. 1329). Dieser war Ghibelline, ein treuer Diener des von Dante heiß verehrten Heinrich VII (der Cangande I della Scala zu seinem Vikar / Stellvertreter gemacht hatte) und hatte durch Krieg eben auch Vicenza unter seine Kontrolle gebracht. Angespielt wird wohl auf eine Auseindandersetzung zwischen Padua (in der Hand der Guelfen) und Vicenza (in der Hand der Ghibellinen unter Führung von Cangrande di Scala) im Jahre 1314 bei der die Guelfen Paduas geschlagen wurden. Wieso, weshalb, warum erfahren wir nicht, für Dante scheint allein maßgeblich zu sein, dass Cangrande di Scala gewonnen hat. Bei dem hat er a) eine zeitlang gewohnt und b) war der ja Vikar seine innigst verehrten Heinrich VII. Dante folgt als der Devise „wrong or right, my country“.

Und wo Cagna und Sile sich gesellen,
Geht heute noch einer stolzen Haupts einher,
Zu dessen Fang sich schon die Netze stellen

Auch dieses Osterei gehört zur Klasse A, genau genommen super A, denn faktisch erfahren wir nur, dass da, wo zwei Flüsse zusammenfließen, ein stolzes Haupt umhergeht. Wir können also für unsere in Zukunft anzufertigende Dissertation, wobei man ja vom Umfang und Schwierigkeitsgrad auch an eine Habilitation denken könnte, einen wichtige Schluss ziehen. Das Osterei Prinzip geht nur, wenn der Inhalt des Ostereis irgendwie bedeutend war, also irgend eine Schlacht verloren hat, eine gewonnen hat, irgendeinen Cäsar bezirzt hat oder sowas in der Art. Sie sehen das sofort, wenn man das Prinzip Osterei auf Herrn Maier anwendet.

Da wo die Kartoffelchips, das Bier verschüttet,
hindösend schon, doch grad noch wach,
da, da fand die Tragödie statt

Wenn also Herr Maier mit einer Tüte Chips und zehn Bier vor der Glotze einschläft und das Bier ihm aus der Hand fällt und der Inhalt auf die neue Couch (was Frau Maier in den Wahnsinn treiben wird) ist er über das Ostereiprinzip nicht mehr auffindbar, das passiert nämlich ständig. Sie sehen also wie das Prinzip Osterei, die Personalauswahl in der Divina Commedia beeinflusst. Da gibt es nur so adeliges Gewächs, welche im Grunde überhaupt nicht typisch ist, für die Gesellschaft. Wenn also irgendjemand meint, das hatten wir im Gesang vorher, dass die Divina Commedia den Alltag im Mittelalter beschreibt, dann hat er schlicht einen an der Waffel. Doch zurück zu unserer Terzine. Die zwei Flüsse Cagna und Sile treffen sich in Treviso. Allerdings hat der Fluss Cagna inzwischen eine Namensänderung durchgemacht, er heißt Botteniga. Die zweite Möglichkeit ist, dass sich Dante geirrt hat. Wir gehen aber mal davon aus, dass er sich da auskennt. In Treviso geht also einer das Haupt stolz erhoben. Das ist jetzt wieder der alte Dante Trick, er prognostierzt eine Zukunft aus der Sicht der Vergangenheit, bzw. kolportiert ein Gerücht. Gemeint ist Rizzardo IV da Camino (geb. 1274, gest. 1312). Er wurde Anhänger der Ghibellinen und Heinrich VII ernannte ihn zu seinem Stellvertreter, einer unter vielen halt. Das aber wiederum brachte ihm die Gegnerschaft von Venedig und des traditionell guelfisch gesinnten Adels von Treviso. Während eines Schachspiels in seinem Palast wurde er am 5. April 1312 dahingemeuchelt. Wer für den Mord letztlich zuständig war ist unklar, es könnte sogar Cangrande della Scala gewesen sein. Dies würde auch
erklären, warum ihn Dante nicht mag.

Wär‘ s denkbar auch, dass Feltro – wo es schwer
Den Treubruch büßt – des Frevels je vergäße,
Wie wohl kein schlimmerer in ganz Malta war

Wir fühlen uns ja fast in höllische Zeiten zurückversetzt, Osterei folgt auf Osterei. Feltre ist ein Stadt in Venetien, gelegen an einem Nebenfluss der Piave (wo der langfließt siehe Bild oben). Dort gab es mal einen Bischoff, namens Alessandro Novello, der Flüchtlingen aus Ferrara Unterschlupf gewährt hatte, sie dann aber an Ferrara verriet und auslieferte. Sie kamen ins Gefängnis Malta, wo sie schließlich enthauptet wurden.

Kein Fass auf Erden soviel Raum besäße,
Um alles Blut Ferraras aufzuspeichern –
Und müde würde, wer es quartweis mäße

Also wenn man das Blut, der hingerichteten Ferraresen bräuchte man ein sehr großes Fass und wenn man quartweis täte, wird man müde. Das mit dem quartweis haut nicht ganz hin. Ein Quart ist 946,352946 Milliliter. Im Orginal steht aber oncia und eine oncia sind 30 Gramm. Ist aber im Grunde Jacke wie Hose.

Doch lässt sich andre „gütigst“ daran bereichern
Der Pfaff – und schimpft sich noch Parteifreund dreist;
Solch Huldgeschenk ist Brauch bei diesen Schleichern

Es geht immer noch um den Priester Alessandro Novello. Der verhält sich, so Dante, wie alle in dieser Gegend.

Im Himmelsspiegeln, die ihr Throne heißt,
Wird Gott im Abglanz richtend niedersehn,
So dass mein Wort sich wahrgetreu erweist

Im Original

Sù sono specchi, voi dicete Troni,
onde refulge a noi Dio giudicante;
sì che questi parlar ne paion buoni
Dort oben sind Spiegel, ihr nennt sie Throne,
von wo sich für uns wiederspiegelt, das Urteil Gottes;
so dass bestätigt wird mein Wort

Sagen will sie wohl, dass das, was sie sagt, richtig sein muss, weil Gottes Wahrheit sich da, wo sie ist, spiegelt. Mit Spiegel sind wohl die sieben Engel um Gottes Thron gemeint, bildlich dargestellt sind sie sehr oft.

Pietro Perugino: Gott und Engel, 1507 – 08
Genannt werden sie in der Offenbarung des Johannes, Kapitel 16.
Cunizza schwieg und gab mir zu verstehen,
Dass sie auf andres achte, denn sie wandte
sich wieder in des Sternes Schwung und Drehen
Nun, da geht sie hin, die holde Maid. Wo sie sich konkret hinwendet erfahren wir zwar nicht, aber auf jeden Fall verschwindet sie, wie sie gekommen war.

Der andere, den vorhin Juwel sie nannte,
Der Wonnigliche, ließ mich Wunder schauen,
Als ob ein Sonnblick in Rubinen brannte

Im Original

L'altra letizia, che m'era già nota
per cara cosa, mi si fece in vista
qual fin balasso in che lo sol percuota
Die andere Freude, die mir schon
bekannt als etwas Edles, kam nun in meinen Blick
wie ein Rubin, der von Sonnenstrahlen ward getroffen

Also in unserer hochwissenschaftlichen Habilitationschrift zu den dantesken Ostereiern ist dieser Typ von Osterei aufzunehmen. Wer bereits zum gewieften Ostereiersucher geworden ist, wird hier versuchen, aus den wenigen Daten auf die Figur zu schließen, was aber nicht möglich ist. Er wird sich also seinen Kopf auf der Suche nach einem Osterei zerbrechen, das nicht auffindbar ist. Erst acht Terzinen weiter wird das Osterei sich selber zu erkennen geben. Es handelt sich auch insofern um ein spezielles Osterei, als Dante hier von der üblichen Ostereiersuche gleich zweimal abweicht. Der inzwischen gewiefte Ostereiersucher hätte schon oben versucht, das Osterei zu finden, was aber, genau wie beim zweiten Mal, nicht gelingen kann. Wir imitieren als das übliche „…warm..“ und „…kalt…“ und sagen schlicht, dass es sich um den Poeten Folko handelt. Wer das ist, ist aber im Moment egal, wenn er sich selber nennt, gehen wir darauf ein. Bei dem „…ließ mich Wunder schauen…“ hat Zoozmann ein bisschen interpretiert. Zwar ist es durchaus richtig, dass Dante sich von Beatrice oder wem auch immer sich irgendeinen abstrusen Quark anhört und dann in Glückseligkeit ob der erhaltenen Erkenntnis glüht, es könnte also durchaus sein, dass er den Quark, den er jetzt von Folko hört für ein Wunder an Weisheit hält, aber sagen tut er es nicht. Vielleicht glühte Zoozmann ja auch, wer weiß?

Die Freude lässt uns droben übertauen
Mit Glanz, auf Erden lächeln: So lässt Pein
Die Schatten drunten finsterer sich umgrauen

Im Original

Per letiziar là sù fulgor s'acquista,
sì come riso qui; ma giù s'abbuia
l'ombra di fuor, come la mente è trista

Durch Freude wird dort glanz hervorgerufen,
so wie hier das Lächeln; doch dort unten
sind die Schatten dichter, weil der Geist in Trauer

Man wirft dem Autor ja gelegentlich vor, der Welt reichlich unvermittelt und ohne konkreten Bezug zum Gang des Gespräches, etwas mitzuteilen, was dann keiner versteht. Beim Autor passiert das aber mündlich, bei Dante schriftlich, also wenn er Zeit gehabt hätte, darüber nachzudenken, ob etwas in den Kontext passt. Diese Terzine taucht jetzt reichlich unvermittelt auf, hat mit dem Gang der Handlung, so man denn das ewige Geplaudere als Handlung bezeichnen will, gar nichts zu tun. Sagen will er, dass ganz im Himmel durch die Freude alle erglänzt, auf der Venus wegen eben dieser Freude alle Lächeln, in der Hölle aber nur Schatten sind, weil der Geist bekümmert. Je betrübter der Geist, desto dunkler die Schatten. Dass es da unten aber überhaupt einen Schatten gibt wundert uns, denn wo kein Licht, da ist auch kein Schatten. Dante müsste also noch irgendwie eine Öllämpe in seine Hölle stellen, sonst wird das nix mit dem Schatten.

„Alles sieht Gott“, sprach ich: „In seinen Schein,
Glückseliger Geist, darf tief dein Schauen dringen,
Kein Wunsch von Gott kann dir verborgen sein.“

Im Original

„Dio vede tutto, e tuo veder s'inluia“,
diss'io, “beato spirto, sì che nulla
voglia di sè a te può esser fuia.“

Gott sieht alles, und dein Sehen mit seinem vereint“,
sagte ich, „seliger Geist, der du von dir aus
nichts willst, dir kann nichts verloren gehen“

Im Detail ist das zwar unklar, aber heißen soll es wohl, dass dieser Geist mit Gott in völliger Harmonie dahinschimmert. Das geht jetzt noch zwei Terzinen weiter, mit dem Gejauchze und Frohlocken, die fassen wir also besser mal zusammen und verzichten darauf, uns das Original anzuschauen, irgendwie scheinen da die meisten Übersetzer ausgestiegen zu sein, denn es gibt sehr viele Fassungen davon.

Lass deshalb deine Stimme – deren Singen
Den Himmel freut, mitjauchzend mit den Frommen,
Die strahlend birgt ein Kleid sechfacher Schwingen

Lass löschen sie den Wunsch, der mir entglommen!
Könnt ich dein Innres, wie du meins, entdecken,
Nicht ließ ich‘ s erst zu einer Frage kommen

Mit der ersten Terzine (Lass deshalb deine Stimme…) ist wohl gemeint, dass er genauso jaucht, wie die Frommen mit den sechs Flügeln, also den Seraphinen (Singular Seraphim). Diese werden in Jesaja Kapitel 6, 1-7 Beschrieben.

Im Todesjahr des Königs Usija sah ich den Herrn. Er saß auf einem hohen und erhabenen Thron. Der Saum seines Gewandes füllte den Tempel aus. Seraphim standen über ihm. Jeder hatte sechs Flügel: Mit zwei Flügeln bedeckten sie ihr Gesicht, mit zwei bedeckten sie ihre Füße und mit zwei flogen sie. Sie riefen einander zu: Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Heere. Von seiner Herrlichkeit ist die ganze Erde erfüllt. Die Türschwellen bebten bei ihrem lauten Ruf und der Tempel füllte sich mit Rauch. Da sagte ich: Weh mir, ich bin verloren. Denn ich bin ein Mann mit unreinen Lippen und lebe mitten in einem Volk mit unreinen Lippen und meine Augen haben den König, den Herrn der Heere, gesehen. Da flog einer der Seraphim zu mir; er trug in seiner Hand eine glühende Kohle, die er mit einer Zange vom Altar genommen hatte. Er berührte damit meinen Mund und sagte: Das hier hat deine Lippen berührt: Deine Schuld ist getilgt, deine Sünde gesühnt.

Mit der zweiten Terzine (Lass löschen sie den Wunsch…) wird es dann schwieriger. Das Original sieht da ein bisschen anders aus, die erste Zeile lautet „perché non satisface a' miei disii“, das ergäbe dann warum stillst du nicht meine Sehnsucht. Er soll ihm also erzählen, wer er ist, damit er ihn so völlig durchschaut wie umgekehrt er ihn. Sie sehen also, dieses Osterei ist raffiniert, Dante findet es selber nicht. Wir müssen also anlässlich unserer hochwissenschaftlichen Habilitationsschrift das ganze Teil nochmal lesen und schauen, ob es von dieser Art von Osterei mehrere gibt. Dafür müssen wir natürlich Gelder von der deutschen Forschungsgemeinschaft beantragen, für mindestens drei Jahre.

„Das mächtigste von allen Wasserbecken
Nächst dem, das um den Erdball schlingt die Wogen“,
Gesichtskreis wird, was dort Mittagsbogen.

Ich lebte dort im Tal, zwischen dem Strande
Macras und Ebros, das auf kurzem Wege
Den Genueser trennt vom Tuskerlande.

Die Sonne sieht und flieht im im gleichen Grade
Buggea und den Ort, der mich geboren-
Einst ward sein Hafen heiß im blutigen Bade

Also beschrieben wird der Geburtsort von Folko, oder Foulquet. Der lebte in Marseille. Die drei Terzinen lassen sich also, ohne dass sie ihre dichterische Wirkung verlören, so zusammenfassen: Ich wurde in Marseille geboren. Sinnigerweise sollte ja ein Roman eine gewissen innere Notwendigkeit haben, also ein ästhetisches Prinzip. Solche Prinzipien waren zum Beispiel der Naturalismus (Zola, Hauptmann), der Realismus (Flaubert, Fontane), der Romantizismus (Chateaubriand, Novalis) etc. etc. Bei Dante haben wir nun den Ostereiismus. Allerdings und das überrascht uns, gibt es vom Ostereiismus nur einen Vertreter, nämlich Dante. Das ist insofern interessant, als es sich beim Ostereiismus damit offensichtlich um eine kontingente Strömung handelt, unsere Habilitationsschrift hat also ein Unterkapitel „der Ostereiismus als kontingente literarische Strömung“. In diesem Kapitel wird der Frage nachzugehen sein, wieso der Ostereiismus sich nur im Italien des Mittelalters entwickeln konnte, wobei wir den Ostereiismus aber als Stilentelechie aufzufassen haben, ähnlich wie die Gotik, die sich ja nicht aus der Romanischen Architektur entwickelt hat, sondern mit dieser abrupt bricht. Für dieses Unterkapitel haben wir ein Stipendium bei der Volkswagenstiftung beantragt, näheres zu dem Antrag siehe

http://www.volkswagenstiftung.de

Die fördern hochinteressante Projekte. Zum Beispiel sowas:

Symposium "Subjektkonstruktionen und digitale Kultur. Neue Subjektformen im Wechselspiel mit soziokulturellen Praktiken im Cyberspace (SKUDI)"

http://www.volkswagenstiftung.de/

Alter Schwede. Sind Sie auch so einer, der ab und zu so in einem Chat nicht richtig die Wahrheit sagt? Dann betreiben Sie eine subjektkonstruktion in der digitalen Kultur. Das Ihr Geklepper auf der Tastatur eine soziukulturelle Praktik ist, ist Ihnen wahrscheinlich noch gar nicht aufgefallen. Wenn sich aber die Volkswagen AG weiterhin mit Subjektkonstruktion im Cyberspace beschäftigt anstatt mit dem drei Liter Auto dann geht uns demnächst mal der Arsch auf Grundeis. Dem Autor ist das natürlich völlig wurscht, er fährt Fahrrad und ist damit im Stadtverkehr deutlich schneller als diese Blechdosen, aber für die deutsche Wirtschaft wird das zum Problem.
Auch das sind übrigens Steuergelder. Verpulvert werden die Erträge aus den Aktien der Volkswagen AG, die das Land Niedersachsen hält.

Die Terzinen sind jetzt also Ostereier der Güteklasse H, H wie hirnverbrannt. „Das mächtigse von allen Wasserbecken“ (La maggior valle) ist tatsächlich eine riesige Badewanne, gemeint ist das Mittelmeer. Da können Sie sich die Haare shamponieren und brauchen anschließend nicht mal die Wanne zu schrubben. „Nächst dem, das um den Erdball schlingt die Wogen“ ist dann der Atlantik, das ist in der Tat eine noch größere Badewanne. „Gesichtskreis wird, was dort Mittagsbogen“ (che fa meridiano là dove l'orizzonte pria far suole) soll heißen, ist reichlich unverständlich, die Übersetzungen weichen stark voneinander ab. Irgendwie soll das eine Beschreibung werden, wie groß die Badewanne tatsächlich ist. Auch das „Macras und Ebros“ ist reichlich unklar. Der Ebro liegt in Spanien, der Magra ist in Italien. Dazwischen gibt es reichlich Täler. Dem Autor ist völlig unklar, von welchem Tal Dante redet. „Die Sonne sieht und flieht im im gleichen Grade Buggea“ soll heißen, dass Buggea, eine Stadt in Algerien und Marseille, wo Folko geboren wurd, auf dem selben Längengrad liegen. In Buggea hat irgendein ein Feldherr Cäsars irgendeine Schlacht gewonnen. Deswegen das „…einst ward sein Hafen heiß im blutigen Bade“. Was diese Information an dieser Stelle konkret soll, versteht natürlich kein Mensch. Aber eine Terzine hat halt immer drei Zeile und da fehlt eine. Irgendwie scheint Dante aber von so scheinbar historischen Ereignissen fasziniert zu sein, obwohl sie faktisch keine Rolle spielen. So Historienmüll steht ja in jeder Stadt, auch in Berlin, die Siegessäule, die Figuren auf der Möckernbrücke, das Brandenburger Tor mit seiner Quadriga und ähnlicher Blödsinn. Irgendwie scheinen alle Leute von der fixen Idee besessen, dass irgendwelche Schlachten den Gang der Weltgeschichte ändern. Der Elektrizität, der Dampfmaschine, dem Telefon, dem Internet etc. etc. könnte man ja eine Denkmal setzen, wenn alles ein Denkmal bekommen soll, was die Weltgeschichte ändert. Es ist schon erstaunlich, dass es nach Dante nochmal gut 600 Jahre gedauert hat, bis dieser Schwachsinn aufhört. Nach dem zweiten Weltkrieg hat ja niemand mehr so eigenartige Klötze in die Landschaft gestellt. In der totalen Ausblendung wirtschaftlicher / technischer Zusammenhänge und in der Fokusierung auf irgendwelchen freischwebenden Ideologiekram hat der Dante einen Kollegen in H. Der meinte auch, dass Schlachten irgendwie bedeutungsvoll sind und man Lebensraum im Osten haben müsste. Tatsächlich ist der Produktionsfaktor Boden aber reichlich vorhanden und trägt in den Industrienationen etwa 5 Prozent zum BSP bei, auf die könnte man teilweise auch noch verzichten und die Nahrungsmittel da produzieren lassen, wo die Bedingungen für die Agrarproduktion günstiger sind. Wenn also die Dante Gesellschaft meint, dass Dante heute noch aktuell ist, dann sollten die Jungs und Mädels vielleicht mal ein Standardwerk der Volkswirtschaftslehre in die Hand nehmen, den Samuelson oder so. Leute, die wie Dante im Besitz der Wahrheit sind, sind schlicht gemeingefährlich, man sollte sie aus dem Verkehr ziehen. Von der absoluten Wahrheit zur Folter ist es nur ein kleiner Schritt. Die absolute Wahrheit ist so was wie Typhus, Pest und Cholera. Die gibt es überall. Wir schlagen also vor, dieses unselige Machwerk, das sich deutsche Nationalhymne schimpft, durch dieses Lied zu ersetzen.

http://www.spanisch-lehrbuch.de

Das ist musikalischer anspruchsvoller und vom Text her auf der Höhe der Zeit. Steine erwachen zu lassen, ist auch im Sinne von Ortega y Gasset „una empresa común“, also eine Gemeinschaftsaufgabe, die es zur „nation building“ braucht. Ist das Projekt anspruchsvoll, lässt sich der Autor ja sogar noch „nation building“ gefallen. Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland ist nicht gerade ein besonders anspruchsvolles Projekt, nachdem der Autor strebt mit Herz und Hand und das auch noch brüderlich. Das ist eher so ein Projekt für Gartenzwerge, aber doch nicht für richtige Kerle.

Der Name Folko klang vertraut den Ohren
Dem Himmel leih ich mein Gepräge dar,
Wie ich einst seinem Eindruck war erkoren.

Im Original

Folco mi disse quellla gente a cui
fu noto il nome mio; e questo cielo
di me s'imprenta, com'io fe' di lui;

Folco nannten mich jene Leute, denen
Mein Name war bekannt; und dieser Himmel
Prägte mich, so wie ich ihn

Soll heißen, dass der Venushimmel, also der Stern der Liebe, ihn prägte und er wiederum diese, also die Liebe, besang. Das klingt erstmal nach einer vernünftigen Tätigkeit, also weitgehend ideologiefrei, doch leider ist auch ihm irgendwann mal die Birne abgefackelt worden. Folquet de Marselha oder Folquet de Marseille (geb. ca 1150 in Marseille, gest. 1231 in Toulouse) war ein provenzalischer Troubadour. Berühmt wurde er durch seine Liebeslieder. Ohne dass es näher spezifiziert würde, berichten italienische Kommentatoren von einem aufwühlenden Liebesleben. Nachgesagt wird ihm eine Affäre mit Eudokia Komnene, der Gattin von William VIII von Montpelliert, der sich aufgrund dieser Affäre von ihr scheiden ließ, und einer Affäre mit Azalais, der Gattin des Grafen Barran du Bauxsi. Bis hierhin ist also noch alles in Ordnung, in so einem verschlafenen Schloss muss ja mal irgendjemand ein bisschen Rabbatz machen. Das Malheur beginnt im Jahre 1195, da geht er ins Kloster und steckt seine Frau und seine zwei Söhne auch gleich dahin. Im Kloster macht er schnell Karriere und wird Abt von Thoronet und
dann Bischof von Toulouse (1205). Also Bischof macht er sich dann daran, alle Häretiker des Languedoc zu bekämpfen, vor allem die Catharer. Die sahen eine strikte Trennung zwischen der Welt, die war böse und dem Himmelreich und leugneten damit Christus. Dass etwas Göttliches sich mit der Welt vermischt, konnte nicht sein. Des weiteren stellten die Catharer noch die Autorität des Papstes in Frage, der war ja auch in der Welt, also grundböse. In jedem Streben auf dieser Erde Macht zu erlangen, sahen sie einen Ausdruck des Bösen. Das Reich Gottes war völlig im Jenseits angesiedelt, die Verstrickung in diese Welt war zu vermeiden. Gegen diese Catharer führte er nun mehrere Kreuzzüge, was in bei der Bevölkerung dann reichlich unbeliebt machte. Diese nahm das eher als einen Kreuzzug gegen den Languedoc war. Dass er da aber ziemlich Murks gebaut hat im Languedoc leuchtet ihm auch im Himmel noch nicht so richtig ein und wir befürchten, dass auch Dante das noch nicht richtig begriffen hat. Die folgenden Terzinen stellen dann einen Vergleich her zwischen seinem eigenen Liebesleben und dem anderer Figuren der imaginierten oder realen Zeitgeschichte. Irgendwie soll der Leser durch diese Liste einen Eindruck von dem Liebesleben des Foulquet bekommen. Auch hier haben wir natürlich wieder einen Unterschied zwischen Dichtung und Terzinenschmied. Arbeiten wir also das Telefonbuch kurz durch.

Entflammter nicht des Belus Tochter war
Zu der Sichäus und Creusas Weh,
Als ich – solang sich‘ s schickte für mein Haar

Glühnder war Phyllis nicht von Rhodope,
Die Demophon betrog, auch des Alciden
Gefühl sprach heißer nicht für Jole

Belus Tochter ist Dido, die war mit Sichäus verheiratet gewesen und Äneas, mit dem sie nach dessen Tod eine Love Affaire hatte mit Creusas. Wieso jetzt aber Sichäus und Creusas ein Weh hatten, weil die zwei was miteinander hatten, ist schleierhaft. Sichäus wie auch Creusa betrachteten zu diesem Zeitpunkt mythologisch die mythologischen Radieschen von unten. Das ist nicht ganz das gleiche wie bei Foulquet.
Die zweite Terzine müssen wir uns doch mal im Original anschauen, weil so gibt sie erst mal keinen Sinn.

né quella Rodopea che delusa
fu da Demofoonte, né Alcide
quando Iole nel cuore ebbe rinchiusa
und auch nicht Rodopea die ward
getäuscht von Demofoonte, und nicht
Alcide, als er Jole ins Herz geschlossen

Zoozmann interpretiert da etwas, der Spur nach könnte es richtig sein. Phyllis hatte tatsächlich ein Techtemechtel mit Demoofonte, dieser verlies sie aber, weswegen sie sich umbrachte. Ob sie allerdings der Anlass für die Enttäuschung Rodopeas war, dass also Demoophon Rodopeas wegen Phyllis verließ, ist unklar. Auf jeden Fall ist Rodopea von Demofoonte irgendwie betrogen worden. Mit Alkide ist Herakles gemeint. Herakles ist hervorgegangen aus einer Verbindung zwischen Alkmene und Zeus, welche aber mit Amphytron verheiratet war. Dessen Vater wiederum hieß Alkaios und von da stammt der Name. Herakles wiederum war ganz der Papa und beginnt ein Techtemechtel mit Jole, was wiederum seine Gattin Deïaneira nicht lustig fand. Sie gab ihm ein vergiftetet Kleid und der Held starb.

Doch lächelt man hier reulos, in Frieden,
Nicht ob der Schuld, dran das Gedächtnis endet,
Nein, weil die Vorsicht weise so entschieden

Das heißt wohl schlicht, dass auf der Venus über die begangenen Sünden, gemeint ist wohl die Verführung verheirateter Frauen, nicht bereut wird, weil die ja alle vorher in der Lethe geduscht haben und die wäscht die Erinnerung an die Sünden weg. Man freut sich also nur noch über Gott, der alles so trefflich ordnet.

Und jene Kunst, die huldreich schmückt und spendet,
Erkennen wir, des guten Zweckes inne,
Dass gleich dem Himmel sich die Welt vollendet

Im Original

Qui si rimira ne l'arte ch'addorna
cotanto affetto, e discernesi 'l bene
per che 'l mondo di sù quel di giù torna

Hier schaut man die Kunst, die diese
Wirkung schmückt, und erkennt das Gute,
durch das die Welt hier oben die untere lenkt

Auch hier ist die Aussage so schlicht, wie abstrus für den, der an diesen ganzen Hokuspokus nicht glaubt. Die Sterne lenken, wohl indirekt, denn das ganze große Licht kommt ja von oben, die Geschicke der Menschen und die Leute auf der Venus freuen sich, das betrachten zu dürfen. Was einen aber tatsächlich wundert, ist, dass es dieser Foulquet tatsächlich ins Paradies geschafft hat. Francesca und Paolo schwirren als Fäden durch den ersten Kreis der Hölle, weil sie sich liebten, wobei Francesca mit einem Hornochsen quasi zwangsverheiratet wurde und das auch nur einmal begangen hat, also einen Ehebruch. Der Foulquet hat das aber mehrere Male gemacht, in weit weniger kritischen Umständen. Obendrein hat er auch noch Lieder gedichtet auf eine verheiratete Frau, das war also volles Programm Casanova. Kann es irgendwie sein, dass sein Kreuzzug gegen alles und jeden, was vom rechten Glauben abwich ihn ins Paradies befördert hat? Wir sehen also, was zu den Wirrnissen des Mittelalters geführt hat. Eine Rechtsprechung à la Dante, der wohl jede Kohärenz abging. So was sorgt für Verstimmung.

Doch das nun ganz Befriedigung gewinne
Dein Wissensdurst nach dieser Himmelsphäre,
Tut‘ s not, dass ich den Faden weiterspinne

Also ob es not tut, dass der Faden der Erkenntnis weitergesponnen wird, weiß der Autor ja nicht. Bis jetzt ist sein Eindruck eher der, dass von vorneherein gar keine Wolle da war, mit der man einen Faden überhaupt hätte spinnen können. Vorhanden war wohl Stroh, aber in so schlechter Qualität, dass man es nicht mal an die Rindviecher verfüttern konnte. Im Orginal steht übrigens nichts von Fäden, aber das ist jetzt fast schon egal.

Ma perché tutte le tue voglie piene
ten porti che son nate in questa spera,
procedere ancor oltre mi convene

Damit sich aber alle deine Wünsche erfüllen
die du trägst und welche geboren in dieser Sphäre,
muss ich noch weiterschreiten

Also nix von Fäden, das ist aber egal. Erstaunlich ist, dass Zoozmann Wolle vermutet, wo doch offensichtlich nur Stroh ist.

Du wüsstest gerne, wer in dem Lichte wäre,
Das neben mir erglänzt, also ob die Glut
Die Sonne sich im Silberquell verkläre?

Dante will das wissen, da bin ich mir bombensicher. Er will wissen welches Hähnchen da im Ofen glüht. Was den Autor angeht, so würde ich mal sagen, er lässt das eher über sich ergehen. Übersichtlich wäre die Divina Commedia ja, wenn man das nicht nach Inferno, Purgatorio, Hölle ordnen würde, sonder alphabetisch, wie jedes andere Telefonbuch auch. In klammern könnte man dann den aktuellen Aufenthalstraum setzen (I = Inferno, P = Purgatorio, Pa = Paradiso). Also einfach die Figuren alphabetisch ordnen und eine mouse over Effekt drüberlegen. Geht man mit der mouse drüber wird ein layer in einen div geschossen und die Terzine blendet sich auf. Also, wer wohnt denn jetzt in dem Lichte, dass neben ihm glüht.

So wisse denn, dass Rahab darin ruht,
Die hier, als Glied erwählt in unserem Orden,
Beprägt mit seinem Siegel, kund sich tut

Das ist jetzt, ganz offensichtlich, ein Osterei der Güteklasse B, weil der Name ja genannt wird. Der Autor kann aber ein Osterei der Güteklasse B ohne weiteres in ein Osterei der Güteklasse A transformieren.

In jenem Lichte brennt, die jene hat versteckt,
die kamen Jericho für immer zu vernichten,
und rettend jene, selber Rettung fand

Und schwups ist aus einem Osterei der Güteklasse B ein Osterei der Güteklasse A geworden. Sie sehen also, dass derjenige, der das Prinzip Osterei vollständig verstanden hat, die Divina Commedia ohne weiteres nachdichten könnte. Mit dem Prinzip Osterei kriegen wir auch das mit der Symmetrie und der Zahlenarithmetrik hin. Das Werk muss aus drei Teilen bestehen, die stehen für die Trinität also für Sex, Drums and Rock‘ n Roll. Insgesamt aber 100 Gesänge, also bei einem muss noch ein Kapitel dazu, da nehmen wir einfach Love. Dann muss da irgendwie noch die sieben eingebaut werden, das ist auch eine magische Zahl, da nehmen wir einfach sieben Cocktails und für alle anderen Zahlen finden wir auch irgendwas. Man könnte natürlich auch als Trinität Sommer, Herbst und Winter nehmen, denn da ist sie nah bei ihrem Schatz, auf dem Fussballplatz. (Nicht mehr in Erinnerung? Er steht im Tor, im Tor, im Tor und ich dahinter… http://www.youtube.com/watch?v=g3tegy5GNdw&feature=related)

Beschäftigen wir uns also mal mit diesem Osterei der Güteklasse B. Rahab sorgt dafür, dass zwei Botschafter Josuas (unter seiner Führung besiegten die Israeliten, so die biblische Darstellung, die Amalekiter) nicht von den Bewohnern Jerusalems gefangen genommen wurden, indem sie diese in ihrem Haus versteckte. Dafür wurde sie dann von den Israeliten verschont. Das ganze steht im 2. Buch Josua.

Josua, der Sohn Nuns, schickte von Schittim heimlich zwei Kundschafter aus und befahl ihnen: Geht, erkundet das Land, besonders die Stadt Jericho! Sie brachen auf und kamen zu dem Haus einer Dirne namens Rahab; dort wollten sie übernachten. Man meldete dem König von Jericho: Heute Nacht sind ein paar Männer hierher gekommen, Israeliten, um das Land auszukundschaften. Da schickte der König von Jericho Boten zu Rahab und ließ ihr sagen: Gib die Männer heraus, die bei dir in deinem Haus eingekehrt sind; denn sie sind gekommen, um das ganze Land auszukundschaften. Da nahm die Frau die beiden Männer und versteckte sie. (Zu den Boten aber) sagte sie: Ja, die Männer sind zu mir gekommen;
doch ich wusste nicht, woher sie waren. 5 Als das Stadttor bei Einbruch der Dunkelheit geschlossen werden sollte, sind die Männer weggegangen; ich weiß aber nicht, wohin sie gegangen sind. Lauft ihnen schnell nach, dann könnt ihr sie noch einholen. Sie hatte aber die Männer auf das flache Dach gebracht und unter den Flachsstängeln versteckt, die auf dem Dach aufgeschichtet waren. Inzwischen hatte man die Verfolgung der Männer aufgenommen, und zwar in Richtung Jordan, zu den Furten hin. Und man hatte das Stadttor geschlossen, nachdem die Verfolger hinausgegangen waren. 8 Bevor die Männer sich niederlegten, stieg Rahab zu ihnen auf das Dach hinauf und sagte zu ihnen: Ich weiß, dass der Herr euch das Land gegeben hat und dass uns Furcht vor euch befallen hat und alle Bewohner des Landes
aus Angst vor euch vergehen. Denn wir haben gehört, wie der Herr das Wasser des Schilfmeers euretwegen austrocknen ließ, als ihr aus Ägypten ausgezogen seid. Wir haben auch gehört, was ihr mit Sihon und Og, den beiden Königen der Amoriter jenseits des Jordan, gemacht habt: Ihr habt sie dem Untergang geweiht. Als wir das hörten, zerschmolz unser Herz und jedem stockte euretwegen der Atem; denn der Herr, euer Gott, ist Gott droben im Himmel und hier unten auf der Erde. Nun schwört mir beim Herrn, dass ihr der Familie meines Vaters euer Wohlwollen erweist, wie ich es euch erwiesen habe, und gebt mir ein sicheres Zeichen dafür, dass ihr meinen Vater und meine Mutter, meine Brüder und meine Schwestern und alles, was ihnen gehört, am Leben lasst und dass ihr uns vor dem Tod bewahrt.
Die Männer antworteten ihr: Wir bürgen mit unserem Leben für euch, wenn ihr nur unsere Sache nicht verratet. Wenn uns der Herr das Land gibt, werden wir dir unser Wohlwollen und unsere Treue zeigen. Darauf ließ die Frau sie mit einem Seil durch das Fenster die Stadtmauer hinab; das Haus, in dem sie wohnte, war nämlich in die Stadtmauer eingebaut. Sie riet ihnen: Geht ins Gebirge, damit die Verfolger euch nicht finden; dort haltet euch drei Tage lang verborgen, bis die Verfolger zurückgekehrt sind; dann könnt ihr eures Weges gehen. Die Männer sagten zu ihr: Wir können uns nur unter folgender Bedingung an den Eid halten, den du uns hast schwören lassen: Wenn wir in das Land eindringen, musst du diese geflochtene purpurrote Schnur an das Fenster binden, durch das du uns herabgelassen hast, und du
musst deinen Vater, deine Mutter, deine Brüder und die ganze Familie deines Vaters bei dir in deinem Haus versammeln. Jeder aber, der aus der Tür deines Hauses heraustritt, ist selbst schuld, wenn sein Blut vergossen wird. Wir sind dann ohne Schuld. Doch bei jedem, der mit dir in deinem Haus bleibt, tragen wir die Schuld, wenn Hand an ihn gelegt wird. Auch wenn du unsere Sache verrätst, brauchen wir uns nicht an den Eid zu halten, den du uns hast schwören lassen. Sie antwortete: Es sei, wie ihr gesagt habt. Dann ließ sie die beiden gehen und band die purpurrote Schnur an das Fenster. Die Männer gingen also und kamen ins Gebirge; dort blieben sie drei Tage, bis die Verfolger (in die Stadt) zurückgekehrt waren.
Die Verfolger hatten sie überall gesucht, aber nicht gefunden. Dann machten sich die beiden Männer auf den Rückweg. Sie stiegen vom Gebirge herab, überschritten den Jordan und kamen zu Josua, dem Sohn Nuns. Sie erzählten ihm alles, was sie erfahren hatten, und sagten: Der Herr hat uns das ganze Land ausgeliefert; alle Bewohner des Landes vergehen aus Angst vor uns.

Wieso sie jetzt durch diese Geschichte ins Paradies kommt, versteht nur Dante. Wie aus der Geschichte sich ganz ohne Zweifel ergibt, war es der reine Eigennutz, der sie veranlasste, die zwei zu verstecken. Genauso gut hätte sie Dante also in die Hölle zu den Verrätern stecken können. Wie schon öfters erwähnt, kann man sich über die Kompetenz von Richtern ja streiten, man kann auch grundsätzlich bezweifeln, ob Gesetze, die im Bundestag beschlossen werden, überhaupt vor Ort umgesetzt werden. Aber im Vergleich zur göttlichen Gerechtigkeit, ist die irdische Gerechtigkeit geradezu paradiesisch, bei letzterer ist immerhin ansatzweise ein System erkennbar.

Und, wo der Schatten von der Erde Borden
Verläuft, vor vielen andern ward empfangen,
Als Christus überwand der Hölle Orden

Die Frage ist, ob ein lediglich äußerst verquast ausgedrückter Sinnzusammenhang ebenfalls als Osterei zu charakterisieren ist und wenn ja, unter welche Kategorie dieses Osterei dann fällt. Wir würden sagen, wenn es was zu suchen gibt, ist es ein Osterei. Die Unterscheidung zwischen Person und Sinnzusammenhang ist aber sinnvoll, wir gruppieren dieses Osterei also in die Kategorie C ein. Alternativ könnte man es auch in die Kategorie A2 eingruppieren. Also hoher Schwierigkeitsgrad aber Sinnzusammenhang. Um dieses Osterei zu finden, müssen wir uns das Original anschauen.

Da questo cielo, in cui l'ombra s'appunta
che 'l vostro mondo face, pria ch'alt'alma
del triunfo di Cristo fu assunta.

Von diesem Himmel, von dem der Schatten fällt,
der eure Erde überschattet, ward sie vor jeder Seele
aufgenommen noch bevor Christus triumphierte

Bis zur Venus reichen noch die irdischen Schatten, da ist man also nicht von
allem Erdendust befreit. Da sie vor Christus gelebt hat, ist sie in den Himmel gekommen, bevor er triumphierte, also gekreuzigt wurde. Da sind wir jetzt natürlich platt. Bis jetzt war die danteske Gerechtigkeit ja immer so, dass man in der Hölle schmort, wenn vor Christu Geburt das zeitliche gesegnet hat, es galt also nicht das irdische „wer zu spät kommt, denn bestraft das Leben“ sondern es galt „wer zu früh kommt, hat die Arschkarte gezogen“. Bei Rahab ist das aber anders, warum auch immer. Es steht die Befürchtung im Raum, dass uns Foulquet via Dante jetzt auch noch erklärt, warum das so ist.

Ihr ziemt es wohl, im Himmel hier zu prangen
Als Palmenzweig von jenen großen Siegen,
Die einst zwei Hände an dem Kreuz errangen

Es sind jetzt schon zwei Jahre vergangen und die Forschungsgelder für unsere Habilitationsschrift „Typologisierung des Ostereis in der Divina Commedia unter rezeptiven Gesichtspunkten. Ein Beitrag zur neueren Dante Forschung“. Nach zwei Jahren ist uns aber aufgefallen, dass unsere Typologisierung so nicht durchzuhalten ist, wir müssen also ein Forschungssemester beantragen und einen Anschlussfinanzierung bei der deutschen Forschungsgemeinschaft stellen. Jeder wird einsehen, dass von der Typologisierung der Ostereier bei Dante entscheidende Impulse für die Geisteswissenschaften weltweit ausgehen, so dass die Anschlussfinanzierung zu gewähren ist. Nach unserer bisherigen Typologosierung wäre es ein Osterei vom Typ A3. Die große Herausforderung für die neuere Dante Forschung ist also die Typologisierung der Ostereier und die wisschenaftlichen Ansätze, wie unter Berücksichtigung der Rezeptionsästhetik eine sinnvolle Kriterienbildung gelingen kann. Hierfür hat die Volkswagenstiftung unter Leitung von Herrn Prof. Dr. Dr.hc Heinz Galama den Sonderforschungsbereich „Neuere Fragen der Dante Forschung - Herausforderung für Gesellschaft und Wissenschaft“ eingerichtet. Sagen will uns die Terzine, dass Rahab zu Recht in diesem Himmel ist, weil sie sozusagen der Palmenzweig war, der jenen Sieg schmückte. Jener Sieg ist dann die Kreuzigung Christus.

Denn tätig Anteil nahm sie an den Kriegen,
Die Josua geführt im Heiligen Land,
Das nicht mehr scheint dem Papst im Sinn zu liegen!

Im Original

perch'ella favorò la prima gloria
di Iosuè in su la Terra Santa,
che poco tocca al papa la memoria.

Weil sie begünstigte den ersten Sieg
des Josua im heiligen Land,
was aus der Erinnerung des Papstes heute ist gelöscht

Soll heißen, dass Josua das heilige Land eroberte. Und daran soll sich der Papst ein Beispiel nehmen und das heilige Land ebenfalls wieder erobern. Gemeint ist, das behauptet zumindest Rudolf Baehr in der schon oft erwähnten Reclamausgabe, Papst Bonifaz VIII, der hätte einen Kreuzzug führen sollen, hat er aber nicht gemacht. Die Kreuzzüge sind insgesamt umstritten, eine Verquickung aus machtpolitischen, ökonomischen und religiösen Motiven, selbst zu Dantes Zeiten fehlte es nicht an kritischen Stimmen. Wenn aber Dante außergerechnet über sein Sprachrohr Foulquet aüßert, dass ein Papst den Eifer bei der Durchführung von Kreuzzügen hat fehlen lassen, dann wird es endgültig merkwürdig, denn dessen Kreuzzüge galten der einheimischen Bevölkerung und diese sah darin schlicht einen Krieg gegen das Languedoc.

Und deine Heimat, die durch den entstand,
Der Gott zuerst abtrünnig wies den Rücken,
Und dessen Neid so viele Tränen fand

Weiß der verruchten Blumen viel zu pflücken,
Die Schaf und Lamm vom rechten Weg gebracht
Durch einen Hirten voller Wolfesstücken

Im Original

La tua città, che di colui è pianta,
che pria volse le spalle al suo fattore
e di cui è la 'nvidia tanto pianta,

produce e spande il maladetto fiore
c'ha disviate le pecore e li agni,
però che fatto ha lupo del pastore.

Deine Stadt, die eine Pflanze dessen,
der zuerst den Rücken seinem Erschaffer zugekehrt
und dessen Neid so viele Tänen lässt fließen

fertigt und vertreibt die verfluchte Blume
So dass verwirrt sind Schaf und Lamm,
weil Wolf ward der Hirte

Mit „der zuerst den Rücken seinem Erschaffer zugekehrt“ ist Luzifer gemeint. Einen engen Zusammenhang zwischen der Gründung von Florenz und Luzifer, irgendein Mythos oder sowas, haben wir nicht finden können. Vermutlich ist schlicht gemeint, dass Florenz ein Werk des Teufels ist. Mit fiore ist wohl der Fiorino d‘ oro gemeint. Auf diesem war eine Lilie eingeprägt.

Das mit dem Schaf und dem Lamm die jetzt verwirrt sind und mit dem Hirten der eine Wolf wurde ist wohl gemeint, dass er die Gier hervorgebracht hat, also das, was schon bei Goethe steht: Am Golde hängt / zum Golde drängt doch alles.

Der Kirchenlehrer wird nicht mehr gedacht,
Der Bibel nicht! Jedoch der Dekretalien –
Man sieht‘ s am Rande – hat man fleißig acht

Mit Dekretalien sind päpstliche Stellungnahmen zum kanonischen Recht gemeint, also des Kirchenrechts der katholischen Kirche. Es regelt die internen Angelegenheiten der Kirche. Wir verstehen natürlich, was uns der Dichter mit seinem Werk sagen will, anstatt sich um die Weisheit zu bemühen, durchforsten die Jungs und Mädels die Dekretalien um zu schauen, ab das was dabei ist, was ihnen nützt. Der Autor würde aber auch dann ein Problem sehen, wenn die Kirchenlehrer mehr studiert würden, also Thomas von Aquin. Auch die Bibel erscheint ihm lange nicht so bedeutend, wie eine Einführung in die allgemeine Volkswirtschaftslehre. Er hält es sogar für einen Fehler, dass VWL kein Unterrichtsfach an Schulen ist. Die Leute entscheiden nämlich in Wahlen ganz überwiegend über ökonomische Zusammenhänge, da macht es schon Sinn, wenn sie in der Lage sind, sich hier ein eigenes Urteil zu bilden. Es würden ihm also ganz spontan sehr viele Bücher einfallen, die bedeutender sind als die Kirchenlehrer oder die Bibel. Bei letzteren ist er sich nicht mal sicher, ob sie überhaupt einen Nutzwert stiften. Das mag ganz interessant sein, wenn einzelne Gemälde von z.B. Michelangelo verstehen will, aber sie laufen eher unter dem Kategorie Luxus. Es gibt durchaus Bücher, die Dante gar nicht nennt, die aber essentiell sind für das Verständnis unserer Welt. Was die Nichtkenntnis dieser Werke für fatale Folgen hat, sehen wir ja auch bei den Philologen.

Drin wird studiert von Papst und Kardinalen,
Nicht denken sie an Nazareth, den Ort,
Wo seine Schwingen Gabriel ließ strahlen

Gabriel ist bekanntlich der Engel, der Maria verkündete, dass sie den Heiland gebären wird. In der Literatur wird nun darauf hingewiesen, dass Gabriel als Zeichen der Verehrung seine Flügel ausgebreitet hält. Davon steht im Lukasevangelium, Kapitel 1, 26-38 nichts.

Im sechsten Monat wurde der Engel Gabriel von Gott in eine Stadt in Galiläa namens Nazaret
zu einer Jungfrau gesandt. Sie war mit einem Mann namens Josef verlobt, der aus dem Haus David stammte. Der Name der Jungfrau war Maria. Der Engel trat bei ihr ein und sagte: Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir. Sie erschrak über die Anrede und überlegte, was dieser Gruß zu bedeuten habe. Da sagte der Engel zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria; denn du hast bei Gott Gnade gefunden.
Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären: dem sollst du den Namen Jesus geben.
Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden. Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben.

Richtig ist lediglich, dass die Szene sehr oft so dargestellt wird, also Gabriel mit ausgebreiteten Flügeln, zum Beispiel 200 Jahre später Leonardo da Vinci.

Eher die Zeit Dante ist das hier.



Es kann aber auch sein, dass es viele Bilder gibt, wo der Engel im Anflug ist, da hat er dann zwangläufig seine Schwingen ausgebreitet, sonst macht er ja vor Maria ein glatte Bruchlandung, das wäre schlecht, denn eingeschüchtert ist sie eh, und wenn dann noch ein Engel vor ihr glatt auf die Fresse fliegt, kippt sie aus den Latschen. Der Autor würde dann auch aus den Latschen kippen, wenn so ein Engel so unmittelbar vor ihm eine Bruchlandung hinlegt. Die Päpste und die Kardinäle auf jeden Fall lesen die Dekretalen um zu schauen, ob da für sie was bei rausspringt.

Hinsichtlich der Habilitationschrift über die dantesken Ostereier gibt es noch einen Aspekt, der für die neuere Dante Forschung von entscheidender Bedeutung ist. Der Autor hat den Eindruck, dass Dante das Ostereierprinzip im Laufe seines Werkes perfektioniert, also dass die Ostereier immer schwerer zu finden sind. Eine wissenschaftlich fundierte Ostereiertypologisierung kann also, will sie den neuesten Forschungsstand berücksichtigen, das bedeutende Werk von Herrn Prof. Dr. Dr.hc Wilfrido Guzoni, „Ei oder nicht Ei, das ist hier die Frage – offene Fragen der Dante Forschung“ nicht ignorieren. Es muss in die Typologisierung ein Gewichtungsfaktor eingebaut werden der die Ostereier homogenisiert. Hierbei gilt die Formel

AO * GW = HAO

AO = Auffindbarkeit des Ostereis
GW = Gewichtungsfaktor
HAO = Homogenisierte Auffindbarkeit des Ostereis

Ostereier des Inferno sind mit 1, Ostereier des Läuterungsberges mit 0,9 und Ostereier des Paradieses mit 0,8 zu bewerten. Daraus ergibt sich, dass die HAO gleich sein kann, selbst wenn AO ungleich ist. Die AO muss aus dem Kontext heraus begriffen werden und die Übung berücksichtigen, die Dante im Verlaufe des Prozesses gewonnen hat. Nur wenn die HAO höher ist, kann eine objektive Aussage über die geistige Arbeit gewonnen werden, die eingesetzt wurde, um das Osterei zu verstecken. Die AO würde die Routine und die objektive geistige Anstrengung vermischen, so dass ein Rückschluss auf die innervierte geistige Arbeit nicht möglich wäre.

Doch Rom und seines Vatikans Hort
Nebst anderen heiligen Stätten, wo gebettet
Sankt Peters Streiter ruhn für Christi Wort-

Sie werden bald vom Ehebruch erretet

Im Original

Ma Vaticano e l'altre parti elette
di Roma che son state cimitero
a la milizia che Pietro seguette,

tosto libere fien de l'avoltero.

Doch der Vatikan und die anderen Stätten
Von Rom erwählt, die das Grab waren
der Soldaten die Petrus folgten

werden bald befreit von dieser Schmach

In Prosa. Der Vatikan und andere Stätten waren das Grab der frühen Christen und dort haust, da hat Dante wahrscheinlich sogar mal recht, ein ziemlich unchristliches Volk. Von diesem werden eben jene Stätten aber in Kürze befreit sein. Hier hat Dante, ganz offensichtlich, unrecht. Das Elend hält an bis zum heutigen Tag.