Im Original
Solea creder lo mondo in suo periclo
che la bella Ciprigna il folle amore
raggiasse, volta nel terzo epiciclo;
In heidnischen Zeiten glaubte die Welt,
dass die schöne Venus die wahnwitzige Liebe lässt
entbrennen im dritten Kreise sich drehend
Mit dem „periclo“ tun sich jetzt alle schwer. Zoozmann übersetzt mit „törichterweise“, Gmelin mit „in ihren Unglückszeiten“ und Falkenhausen mit „im Bann der Sünde“. Italienische Kommentatoren machen aus dem periclo, wohl zutreffenderweise, ein pericolo (Gefahr). Da aber im Grunde die Zeit gemeint ist, als man noch nicht an Jesus Christus glaubte, kann man auch mit „heidnischen Zeiten“ übersetzen. Die Ciprignia (Khytira) für Venus hatten wir schon. Der Name kommt dadurch zustande, dass die Venus in der Nähe der Insel Khytira (vor dem Peloponnes) geboren wurde. Die gesamte Terzine in schlichter Prosa soll dann bedeuten, dass man früher glaubte, dass Venus, vom dritten Himmel aus die Menschen in verrückter Liebe entbrennen lässt. Was er damit genau meint ist unklar, bekannter ist, dass der Sohn der Venus, Amor, mehr oder weniger blind Pfeile verschießt und wer getroffen wird, verliebt sich. Gehen wir mal davon aus, dass Mama genauso lustig drauf war wie der Sohnemann. Dante sieht das jetzt zwar offensichtlich anders, die Strahlen der Venus lassen die Menschen bei ihm nicht mehr in wahnwitziger Liebe erglühen, aber außer dass er es nicht so sieht, sagt er uns nichts.
Weshalb die alten Völker, wahnbefangen,
Mit Weihesang und reicher Opfergabe
Zu ihren Ehren manches Fest begangen
Na ja, das kann man sich schon vorstellen, dass ihm das nicht gefallen hat, mit der Venus. Wenn die „alten Völker“ sich Venus so vorstellten, wie Botticelli sie knapp 200 Jahre später gemalt hat, dann waren die von Dante beschriebenen leicht bekleideten Florentinerinnen die reinsten Nonnen. (Yep, das beschäftigt den Autor, das ist einer der spannendsten Teile der ganzen Komödie. Wie verdammt nochmal waren die im 1300 Jahrhundert bekleidet, wenn sie leicht bekleidet waren?) Also die Pfeile, die Cupido da verballert lenken den Blick auf jeden Fall nicht nach oben, sondern eher dahin, wo es halt was zu gucken gibt und das geht natürlich bei unserem Savanarola Vorläufer gar nicht.
Verehrt ward auch Dione und ihr Knabe
Kupido, und sie glaubten die Legende,
Dass er in Didos Schoß gesessen habe
Da hat uns Zoozmann ein Osterei gelegt, das bei Dante gar nicht da war. Das ist ungewöhnlich. Normalerweise klaut uns Zoozmann die Ostereier, die Dante gelegt hat. Hier ist es umgekehrt. Im Original heißt es:
ma Dione onoravano e Cupido,
quella per madre sua, questo per figlio,
dicean ch'el sedette in grembo a Dido;
Sie ehrten Dione und Kupido
jene als ihre Mutter, und diesen als ihren Sohn
sagten, dass er auf Didos Schoß gesessen
Bei Dante wird also schon aufgeschlüsselt, wer Dione ist. Sie ist die Mutter der Venus. Das mit dem Kupido (sagten, dass er / also der Sohn der Venus, also Kupido auf Didos Schoß gesessen). Die Geschichte wird im 1.Buch der Aeneis erzählt. Venus hat den Sohn des Aeneas, Ascanius, nach Zypern entführt und durch Cupido, der die Gestalt eben dieses Ascanius angenommen hat, ersetzt. Cupido nimmt in der Gestalt des Ascanius an einem von Dido veranstalteten Festmahl teil, wobei Cupido dafür sorgt, dass Dido sich in Aeneas verliebt.
Cypris nun gab dem Stern die Namensspende,
Von dem bekannt, dass, mit dem Sonnenlichte
Liebäugelnd, er sich zu und von ihm wende
Im Original
e da costei ond'io principio piglio
pigliavano il vocabol de la stella
che 'l sol vagheggia or da coppa or da ciglio.
Und von ihr, mit der ich den Anfang nahm
haben sie das Wort des Stern genommen
der der Sonne folgt den Rücken kehrend oder die Stirn
Er ist also in der dritten Himmelsphäre, das ist die Sphäre der Venus. Mit der Venus hat sein Gesang begonnen. Dass die Sonne manchmal vor und manchmal hinter der Venus erscheint, veranschaulicht ziemlich brillant das auf dieser Seite eingebaute Java Applet.
www.venus-transit.de/PlanetMotion/
Das ist verdammt gut gemacht. Bei Ptolemäus geht das zwar irgendwie anders,
von der theoretischen Erklärung her, aber das Applet oben zeigt den Effekt
korrekt.
Ich fühlte nicht, dass unser Flug sich richte
Zu ihm empor, doch dass wir dort, bewies mir bald
Die Herrin mit verschöntem Angesichte
Wir sehen also, dass Dante allmählich den Durchblick verliert, da ist es gut, dass wir aufpassen. Im 1. Paradiesischen Geträller hat er uns doch bereits mitgeteilt, warum es im Paradies flugs nach oben geht.
Dieser treibt das Feuer auf den Mond,
Dieser ist der Sterblichen Herzen Motor
Dieser lässt die Erde sich ballen
1. Gesang Paradies
Wir haben das zwar zugegebenermaßen auch nicht richtig begriffen, wieso im Paradies alles nach oben strebt und die Gravitationskraft außer Kraft gesetzt ist, aber Dante wohl irgendwie auch nicht. Ist das Paradies weit weg von der Erde, dann wirkt die Gravitationskraft eigentlich auch gar nicht mehr, dann herrscht schlicht Schwerelosigkeit. Wie dem auch immer sei, Dante wundert sich schon wieder darüber, dass es im Paradies so flugs nach oben geht. Dass Beatrice jetzt glüht (…mit verschöntem Angesichte…) kennen wir schon. Je mehr sie sich Gott nähert, desto mehr glüht sie.
Wie Funken man erkennt, wo Feuer wallt,
Wie man im Chor heraushört Einzelstimmen
Nach Einsatz, Pause oder Tonhaushalt -
So sah ich Lichter hier im Lichte schwimmen
Und mehr und minder schnell sich kreisend drehen,
Wie sie im Anschaun schwach und stark entglimmen.
Das Verfahren auf der Venus ist also ganz ähnlich wie bei Merkur und Mond. In den Trabanten / Planeten leuchten schemenhaft die Seelen. Allerdings sind die Umrisse auf der Venus nicht mehr erkennbar, sie flackern auf und verschwinden wieder, wie wenn im Feuer Funken sprühen.
Nie mochten Wirbelwinde schneller wehen
Aus kalter Luft – ob sichtbar oder nicht -
Dass sie nicht langsam schienen dem zu gehen
Im Original
vid'io in essa luce altre lucerne
muoversi in giro più e men correnti,
al modo, credo, di lor viste interne.
Sah ich in diesem Lichte andere Lichter
Kreisen, mal schneller und mal langsamer,
ganz so, so schien es, wie vorherbestimmt
Das Geflackere der Lichter folgt also einer inneren Logik, welcher auch immer.
Nie mochten Wirbelwinde schneller wehen
Aus kalter Luft – ob sichtbar oder nicht –
Dass sie nicht langsam schienen dem zu gehen
Der hier gesehn, wie blitzschnell Licht um Licht
Herflog zu uns, abbrechend seinen Reigen,
Den der Seraph als Urbeweger flicht.
Im Original
Di fredda nube non disceser venti,
o visibili o no, tanto festini,
che non paressero impediti e lenti
a chi avesse quei lumi divini
veduti a noi venir, lasciando il giro
pria cominciato in li alti Serafini;
Aus kalter Wolke steigen keine Winde,
ob sichtbar oder nicht, die lahm und langsam nicht erscheinen,
dem, der diese göttlichten Lichter hat
gesehen auf uns zukommend, den Reigen weiterführend,
der zuvor vom höchsten Seraphin begonnen
Die Lust des Autors einen Ausflug in die Meteorologie zu machen hält sich ja jetzt in Grenzen, seine Leidenschaft ist eher Thomas von Aquin und Ptolemäus. Er würde jetzt stark dazu neigen, schlicht zu sagen, aus einer Wolke kommen keine Winde, nie und niemals. Die sichtbaren Winde wären natürlich ein Abenteuer, das würde der Autor schon mal gerne sehen, aber so wie es aussieht, muss man dazu erstmal ins Paradies kommen und der Autor weiß immer noch nicht, ob er da hin will. Der Autor kann sich im übrigen auch unter einem funkensprühenden Feuer etwas vorstellen, aber er sieht nicht so richtig, was das funkensprühende Feuer mit den Winden zu tun hat. Wind ist eine gleichmäßige Bewegung, die man spüren, aber nicht sehen kann. Das funkensprühende Feuer ist ein Geflacker, das man sieht. Vergleichen kann man ja alles mögliche, zum Beispiel einen Schmetterling mit einem Känguru, das geht dann irgendwie so.
Wie der zweibeinige Langohr hüpft
durch Australiens Steppe
die Ohren nicht wie ein Segel aufgerichtet
So sind die Flügel bei jenem Falter
der nicht durch Australiens Steppe hüpft
nicht wie das Ohr des Langohrs schlaff doch ausgebreitet
So gesehen lassen sich natürlich auch die Ohren des Kängurus mit den Flügeln des Schmetterlings vergleichen, Gottes großer Zeh mit einem Rettich und der Computer mit einer Waschmaschine. Also wenn wir länger darüber nachdenken, geht das ok mit den Wolkenwinden und den Funken. So ganz abstrakt ist alles irgendwie gleich. Mit dem großen Seraphin, von dem alles herrührt, ist das Empyreum gemeint.
Zum Himmel hörte ich Hosanna steigen
So unbeschreiblich, dass, seit ich‘ s vernommen,
Der Wunsch, es neu zu hören, nicht will schweigen.
Für die Heiden unter uns, also für den Autor an andere: Hosanna singen die Christen am Palmsonntag, der wiederum ist der 6. Sonntag der Fastenzeit und der Sonntag vor Ostern. Dieses Hosianna, ursprünglich armäisch oder hebräisch, hat Luther dann in Vers 25, des 18. Psalm so übersetzt: O Herr, hilf, o Herr, laß wohlgelingen! Was er da gehört hat wissen wir natürlich nicht und fragen uns ganz ernsthaft, was wir mit der Information anfangen sollen. Dante teilt uns mit, dass die Musik toll war. Der Autor würde jetzt ja glatt in einen Plattenladen gehen und eine CD kaufen, wenn man nur so ganz vage wüsste, nach was man überhaupt suchen soll. Wir vermuten mal die Version von Dante war ohne e-Gitarre und Schlagzeug, also so war das nicht:
www.youtube.com/watch?v=M7SMUf6QcyQ
Und einer aus der Schar, der nahgekommen,
Begann: „Auf dass dir Freude wird zum Lohne,
Sind dir willfährig gern hier alle Frommen.
Ein Kreis, ein Schwung, ein Drang hält nach dem Throne
Der Himmelsfürsten uns, für die entbrennend
Du einst auf Erden sangest die Kanzone:
Im Original
Indi si fece l'un più presso a noi
e solo incominciò: «Tutti sem presti
al tuo piacer, perché di noi ti gioi.
Noi ci volgiam coi principi celesti
d'un giro e d'un girare e d'una sete,
ai quali tu del mondo già dicesti:
Da näherte sich uns einer und begann
Sogleich: „Wir sind alle bereit
Dir zu gefallen, weil du uns erfreust.
Wir drehen uns mit den Himmelsfürsten im Kreise,
angetrieben von der gleichen Kraft, demselben Durst
Getrieben, von denen du schon auf der Erde sprachst:
Der, der sich da nähert ist Karl Martell, davon gleich. Mit „von denen du schon auf der Erde sprachst“ wird angespielt auf eine Kanzone aus dem Convivio, die erste Zeile der nächsten Terzine beginnt wie diese.
Das Internet ist ja immer wieder eine Fundgrube für alles mögliche, auch für den vollkommensten Blödsinn. Wir lesen zum Beispiel auch sowas.
Dieses Werk ist zutiefst in seiner eigenen Zeit verwurzelt, dem spätmittelalterlichen Italien. Diese tiefe Verwurzelung ist Teil seiner Großartigkeit: Das ganze Leben dieser Ära scheint in den Zeilen dieser Verse zu pulsieren. Die Anblicke und Klänge, die Straßen und Häuser, die Konflikte und Auseinandersetzungen, die Überzeugungen und Leidenschaften einer ganzen Gesellschaft zu einem bestimmten Moment ihrer Geschichte werden mit unvergleichlicher Lebendigkeit mitgeteilt. Jeder, der ein genaues Bild einer Kultur gewinnen, ihr Innenleben verstehen und das eigentliche Zeitmaß ihres Lebens verstehen will, findet das in diesem Text, der zugleich die tiefsten Fragen des menschlichen Herzens anspricht.
http://www.quod-est-dicendum.org
Das steht da: „…werden mit unvergleichlicher Lebendigkeit mitgeteilt…“ und „…der zugleich die tiefsten Fragen des menschlichen Herzens anspricht…“
Alter Schwede. Der Autor schließt daraus, dass er sich lebendig irgendwie anders vorstellt und es vollkommene unterschiedliche Typen von Herz gibt. Fragen, die der Autor eher aus der Dynamik einer psychotischen Erkrankung erklären würde, jemand, der daran leidet, stellt nur noch systemimmanente Fragen, sind also tatsächlich Fragen aus den tiefsten Tiefen des menschlichen Herzens. Geschrieben hat das ein Brian Horne. Wir schließen jetzt eine Wette ab. Sie überweisen mir 50 Euro, wenn der Mann ein Professorchen ist / war an einer Uni und ich Ihnen, wenn er das nicht ist? Einverstanden ? Also, schauen wir mal, was google zu Tage befördert. Und was liefert uns das ? Bingo, das da.
http://www.london.anglican.org
Der war Professor für systematische Theologie am King’s College der Universität London. Sie sehen also, wenn das mal kein Trost ist, das Elend mit den verbeamteten Geistlichen ist weltweit, also nicht nur in dieser unserer Republik. Das scheint im übrigen typisch zu sein für die Sekundärliteratur, die schwebt immer irgendwie über dem Text, wie der Heilige Geist über den Jüngern Jesu. Wo der in der Divina Commedia die Klänge, die Straßen und die Häuser einer ganzen Gesellschaft gefunden hat, muss irgendwie was mit dem heiligen Geist zu tun haben. Und wenn er ernsthaft glaubt, dass uns die Divina Commedia einen Einblick verleiht in das Leben des mittelalterlichen Italiens, dann scheint er irgendwie Thomas von Aquin mit Alltag zu verwechseln, das kann bei einem Professor für Theologie wahrscheinlich passieren. Der gute Brian Horne ist isoliert betrachtet nicht interessant, wäre er ein Einzelfall, wäre er harmlos. Er ist aber kein Einzelfall, er ist die Regel unter den verbeamteten Geistlichen. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass Sie mir jetzt 50 Euro schulden. Spielschulden sind Ehrenschulden, meine Kontonummer steht irgendwo im Impressum.
Die ihr den dritten Himmel lenkt erkennend!
Erquickend ist‘ s uns, wenn wir dir zuliebe
Hier etwas rasten, uns vom Reigen trennend.
Angespielt wird, wie bereits erwähnt, auf die erste Kanzone aus dem zweiten Buch des Convivio, genau genommen auf diese:
Voi che ‘ntendendo il terzo ciel movete,
udite il ragionar ch’è nel mio core,
ch’io nol so dire altrui, si mi par novo.
El ciel che segue lo vostro valore,
gentili creature che voi sete,
mi tragge ne lo stato ov’io mi trovo.
Onde ‘l parlar de la vita ch’io provo,
par che si drizzi degnamente a vui:
per vi priego che lo mi ‘ntendiate.
Io vi dirò del cor la novitate,
come l’anima trista piange in lui,
e come un spirto contra lei favella,
che vien pe’ raggi de la vostra stella.
Die ihr im Geist den dritten Himmel leitet,
Lauscht, welche Worte mir im Herzen klingen
So seltsam, daß ich euch nur Kenntnis gebe:
Der Himmel, den ihr machtvoll bringt zum Schwingen,
Ihr edelen Geschöpfe – er bereitet
Die Lage mir, die ich anjetzt durchlebe.
Drum seid ihr wert, daß ich die Stimm’ erhebe
Zu euch, und euch mein Leben nicht verhehle.
So bitt’ ich denn, daß ihr Gehör mir leiht!
Ich künd’ euch meines Herzens Neuigkeit:
Wie tief darin weint die betrübte Seele
Und wie ein Geist beschwichtigt ihre Qualen,
Der niedersteigt aus eures Glanzes Strahlen.
Übersetzung: http://de.wikisource.org
Allerdings bringt auch der Originaltext keine rechte Aufklärung, was
er uns damit eigentlich im Detail sagen will. Eine mögliche Interpretation
wäre diese, zumindest gibt es einen Kommentar, der es so darstellt. Die
Intelligenzen, die den dritten Himmel bewegen, den Himmel der Venus, also der
Liebe, sind, so ein Kommentar, Boethius und Cicero, die durch die Anmut ihrer
Schriften Dantes Liebe zur Weisheit und Philosophie erweckten.
Nachdem ich aufgeblickt im Ehrfurchtstriebe
Zur Herrin und beruhigt wahrgenommen,
Dass sie zustimmend mir gewogen bliebe,
Sprach ich das Licht an, das solch Frohwillkommen
Mir bot, und ließ: „Wie nennst du dich, sprich?“-
Vom Mund mir tönen inbrunstvollentglommen.
Derjenige, der jetzt antwortet, wird seinen Namen nicht nennen, aus dem was
er erzählt, lässt sich aber entnehmen, dass es sich um Karl Martell
(den sollte man also nicht verwechseln mit dem Karl Martell, der als erster
Karolinger die Bühne der Weltgeschichte betrat, das war rund 600 Jahre
früher) handelt, den Sohn Karls II von Anjou, also des Sohnes von Karl
I von Anjou, also der Enkel des von Anjou, mit dem die Habsburger im Dauerclinch
lagen. Karl Martell (geb. 1271, gest. 1295) war der Sohn von Karl II von Anjou,
König von Sizilien und Graf der Provence und Maria von Ungarn. Über
seine Mutter hatte er also, um genau zu sein erhob er Anspruch auf Ungarn.
Die Ansprüche auf den Thron ließen sich aber nicht durchsetzen,
weil die Ungarn meinten, dass Andreas III der geeignetere Kandidat wäre.
König wurde erst sein Sohn, Karl Robert.
Und o! Wie mehrte und erhöhte sich
Sein Seelenfreudenglanz, als zum Bescheide
Mir seine Antwort klang so freudiglich:
Im Original
E quanta e quale vid'io lei far piùe
per allegrezza nova che s'accrebbe,
quando parlai, a l'allegrezze sue!
Und wie und welchem Umfang sah ich ihn
Durch die neue Freude wachsen, die noch
Wuchs, als er sprach, die Ursprungsfreude
No clue, was uns Dante damit sagen will. Da wächst jemand vor Freude darüber, dass er reden darf. Der Autor kennt das nur aus seiner studentischen Taxifahrer Karriere. Wenn Männer mit Bier zugeschüttet sind, dann quasseln die freudig ohne Unterlass und zwar völlig unabhängig davon, ob es einen Zuhörer gibt oder nicht. Da Karl Martell im Folgenden einen Monolog hält, würde der Autor darauf tippen, dass er ein paar Bierchen intus hat, unter Umständen sogar ein paar zuviel. Denn nach ein paar Bier wird ein Dialog zum Monolog zwischen zwei ganz tollen Hengsten.
„Zu früh entwuchs ich meinem Erdenkleide,
Denn wär ich später erst entrückt nach oben,
Ihr merktet weniger vom künftgen Leide.
Hab ich es nicht gesagt? Bier sorgt irgendwie, in großen Maßen genossen, für ein Wohlgefühl. Dieses kommt dadurch zustande, dass die Wahrnehmung und die Selbstreflektion alles ausblendet, was die Selbsteinschätzung trüben könnte. Nicht, dass der Autor dies grundsätzlich schlecht findet, es kann durchaus mal sinnvoll sein, sich was zuzutrauen, es gibt Leute, die wachsen ja über sich hinaus. Karl Martell allerdings ist mit 24 Jahren gestorben und behauptet nun glatt, dass der Lauf der Welt besser gewesen wäre, wenn er noch eine Weile gelebt hätte. Wie kommt er denn da drauf?
Du kenntest mich, wär vors Gesicht geschoben
Mir nicht der Wonnen Strahlenmantel hier,
Dem Wurm gleich, der mit Seide sich umwoben.
Mit „…du kenntest mich…“ wird auf die Tatsache angespielt, dass Karl Martell Dante in Florenz begegnet ist.
Du hegtest Liebe, und mit Recht, zu mir:
Gern hätt ich dir gezeigt bei längrem Leben
Von meiner Liebe mehr als Blätterzier!
Auch damit können wir wenig anfangen. Dante fand ihn wohl sympathisch, aus welchen Gründen auch immer und er hätte ihm gerne gezeigt, wie sympathisch er ist. Als zukünftiger König von Ungarn hätte er ja mal ein paar Unzen Gold springen lassen können, dann hätte er Dante zeigen können, wie sympathisch er ihn findet. Im Himmel damit ankommen ist ja jetzt eine faule Ausrede.
Wo sich die Fluren links der Rhone heben,
Nachdem sie mit der Sorgue sich verbündet,
Dort wollte man mir einst den Zepter geben.
So auch Ausoniens Kap, wo festgegründet
Gaeta trotzen, Bari und Croton,
Bis wo ins Meer Tronto mit Verde mündet.
Mir glänzte auf dem Haupt die Krone schon
Des Reiches, das benetzt der Donau Wogen,
Sobald den deutschen Ufern sie entflohn;
Bei einer umfassenden Würdigung der Gesamtpersönlichkeit würde
man wohl zu einer anderen Einordnung der Persönlichkeiten in Hölle,
Läuterungsberg, Paradies kommen. Wieso Karl Martell im Paradies gelandet
ist und da auch noch auf der Ebene der Venus, also auf der Ebene, wo die sind,
die allzu sehr liebten, ist ein Rätsel. Naheliegenderweise würde
uns natürlich weit mehr interessieren, was Dante mit Karl Martell in Florenz
angestellt hat, vielleicht ergäben sich daraus Anhaltspunkte, die eine
Zuordnung zur Venus nachvollziehbar machen. Wir erfahren also nichts über
besondere Meriten oder moralisch / sittliche Mängel des Karl Martell,
dafür aber, auf welche Gebiete er Anspruch erhob. Die erste der oben genannten
Terzinen (Wo sich die Fluren links der Rhone heben…) beschreibt mehr
oder weniger das Gebiet der Provence. Die zweite Terzine (So auch Ausoniens
Kap, wo festgegründet…) beschreibt mehr oder weniger das Königreich
Neapel, das hat er von Karl II von Anjou, seinem Vater geerbt. Die dritte Terzine
schließlich (Mir glänzte auf dem Haupt die Krone schon…)
spielt auf Ungarn an, das hätte er, so sich die Ungarn nicht geweigert
hätten, was sie aber taten, von seiner Mutter, Maria von Ungarn, geerbt.
Warum Dante sein Paradies mit irgendwelchen Pseudokönigen bevölkert,
ist ein Rätsel. Offensichtlich fand seine Leserschaft, also die anderen
möchtegern Könige, Grafen und sonstige Leute, die der Arbeit enthoben
waren, Könige interessanter als die arbeitende Bevölkerung.
Und sie auch – deren Meerflut überflogen
Vom Sturm des Eurus wird, die oft mit Rauch
Zwischen Pachino und Pelor umzogen
Nicht durch Typhoeus, nein durch Schwefelhauch -
Trinacria erhoffte Fürstensprossen
Mit Recht durch mich aus Karl und Rudolf auch,
Wenn nicht die Misswirtschaft das Volk verdrossen,
So dass durch den empörten Racheschrei:
Er sterbe! in Palermo Blut geflossen!
Wir finden also bestätigt, was wir oben schon vermutet haben, der Karl
Martell hat einfach ein paar Bier zuviel intus. Er redet einfach so vor sich
hin, ob sein Gebrabbel noch irgendjemand versteht, ist ihm weitgehend wurscht.
Dem Alkohol ist auch seine etwas wirre Darstellung seiner Position geschuldet.
Mit „…und sie auch – deren Meerflut überflogen…“ (im
Orginal: E la bella Trinacria, che caliga / tra Pachino e Peloro) ist Sizilien
gemeint. Die Terzine behandelt zwei völlig unterschiedliche Themen. Zum
einen die Schwefelschwaden, die über Sizilien ziehen, zum anderen warum
die von Anjou in Sizilien nicht an die Macht gekommen sind. Beginnen wir mit
der ersten Aussage. Sizilien sieht so aus:
Der obere östliche Zipfel ist Capo Passero der untere östliche Zipfel ist Capo Pessero. Über dieser Gegend scheint ein Schwefelgeruch zu hängen, zumindest beschreibt so was auch Goethe, in der italienischen Reise.
Von Sciacca hierher starke Tagereise. Gleich vor genanntem Orte betrachteten wir die Bäder; ein heißer Quell dringt aus dem Felsen mit sehr starkem Schwefelgeruch, das Wasser schmeckt sehr salzig, aber nicht faul. Sollte der Schwefeldunst nicht im Augenblick des Hervorbrechens sich erzeugen? Etwas höher ist ein Brunnen, kühl, ohne Geruch. Ganz oben liegt das Kloster, wo die Schwitzbäder sind, ein starker Dampf steigt davon in die reine Luft.
Sehr starker Schwefelgeruch scheint im übrigen witzig formuliert. Der
Autor kennt das von Neuseeland. Er würde schlicht sagen, es stinkt nach
verfaulten Eiern. Die griechische Mythologie erklärt sich diesen Gestank
durch den Riesen Typhoeus. Typhoeus (oder Typhon) war der Sohn der Gaia und
des Tartaros. (Noch in Erinnerung: Gaia ist die, die mit Uranus die Titanen
zeugte, die wiederum von Uranus gefressen wurden, was wiederum Kronos veranlasste,
seinem Erzeuger was abzusäbeln, worauf er dann wiederum mit Thetis die
Götter zeugte, die er aber, ganz der Papa, auch fraß, was wiederum
Zeus veranlasste, ihn
umzubringen, etc. etc. etc.). Gaia auf jeden Fall ist jetzt sauer auf die Götter,
sozusagen auf ihre Enkel und deswegen zeugt sie Typhoeus, damit der es wiederum
den Göttern heimzahlt. Es kommt also zu einem Gekeile zwischen Zeus und
Typhoeus und im Verlaufe dieses Gekeiles steckt Zeus den Typhoeus einfach in
den Ätna. Und wenn er sich bewegt, dann rappelt der Ätna und es kommt
zu diesen stinkenden Schwaden. Mit dem Satz „…Trinacria erhoffte
Fürstensprossen / Mit Recht durch mich aus Karl und Rudolf auch…“ im
italienischen Original (attesi avrebbe li suoi regi ancora, / nati per me di
Carlo e di Rodolfo = noch warten würden sie auch ihre Könige / für
mich geboren durch Karl und Rodolfo) wird darauf angespielt, dass ihm der Anspruch
auf die Herrschaft in Sizilien zusteht. Dieser Anspruch soll ihm zum einen
durch seinen Vater, Karl II von Anjou und zum anderen durch Rudolf I von Habsburg
zustehen. Dass er allerdings Ansprüche auf Sizilien hat, von der einen
oder der anderen Seite, sahen seine Zeitgenossen zu Lebzeiten anders.
Sein Vater, Karl II von Anjou musste, um aus der Gefangenschaft entlassen zu
werden, in die er durch die Seeschlacht von 1284 geraten war, auf Sizilien
verzichten. Gefangengesetzt hatte ihn Peter III von Aragón, dieser erhob
Ansprüche auf Sizilien über seine Gemahlin Constantia, eine Tochter
von Manfred von Sizilien. Zwar sprach Papst Bonifatius VIII Karl II von Anjou
die Herrschaft über Sizilien zu, dieser konnte die Insel aber gegen Friedrich
III, den Sohn Peter III, nicht zurückerobern. Verloren gegangen war Sizilien
schon mit der Sizilianischen Vesper 1282, also noch unter Karl von Anjou, als
die Bevölkerung Siziliens unter Mitwirkung von Peter III Karl von Anjou
als König absetzte. Der Zusammenhang taucht gleich noch mal auf. Wenn
also Karl Martell hier einen Anspruch auf Sizilien ableitet, dann war dieser
nie real durchsetzbar noch von irgend jemandem außer ihm gewünscht.
Die Beziehung zu Rudolf von Habsburg ist unklar. Die einzige Beziehung besteht über
seine Frau, Klementia von Habsburg, deren Vater war Rudolf I, der eigentlich
zu der Partei der Staufer zu rechnen ist. Dieser stieß 1267 zum Heerlager
Konradins (des allerletzten Staufers in Italien und Enkel von Friedrich II),
nahm aber am Feldzug zur Eroberung Siziliens, damals unter Herrschaft von Karl
von Anjou, nicht teil. Dass es hier also Ansprüche oder sogar real durchsetzbar
Ansprüche auf Sizilien gegeben hätte (nati per me di Carlo e di Rodolfo),
sieht außer ihm wohl niemand so. Wenn im Himmel Klüngelwirtschaft
herrscht und jemand dahin kommt, nur weil er ein Kumpel von Dante ist, dann
will der Autor da auch noch hin.
Ahnte mein Bruder dies, er machte frei
Sich gleich vom schmutzgen Geiz der Catalanen,
Eh ihre Gier den Aufruhr führt herbei.
Das zielt jetzt auf seinen (also den Bruder von Karl Martell) Bruder Robert von Anjou. Der wird 1309, nach allerlei Hin und Her zwischen Frankreich und Spanien König von Sizilien. Dieser war 1309 König von Sizilien geworden. Wahrscheinlich will Dante sagen, dass er dieses Königreich bald wieder verlieren wird, wenn er sich aufführt wie sein Großvater, Karl von Anjou.
Denn wahrlich! Nötig wär es, ihn zu mahnen,
Dass er die schon so stark beladne Barke
Nicht überfrachte, um sich Weg zu bahnen.
Er, karger Sprössling aus freigebgem Marke,
Bedürfte Diener, die nicht ewig sinnen,
Wie ihre Habgier Gold zusammenharke.“ -
Im Original
ché veramente proveder bisogna
per lui, o per altrui, sì ch'a sua barca
carcata più d'incarco non si pogna.
La sua natura, che di larga parca
discese, avria mestier di tal milizia
che non curasse di mettere in arca».
Nötig ist‘ s dass er oder andere
Sorge tragen, dass sein Schiff
So vollbeladen nicht noch mehr Bürde trage.
Seine Natur, die einst war so bescheiden
hätte nötig eine Begleitung, die nicht
Bestrebt ist die Truhe zu füllen
Mit dem schwer beladenen Schiff sind wohl die Königreiche gemeint, deren
Bevölkerung jetzt schon reichlich geschröpft wird. Wieso Robert von
Anjou im Grunde seines Herzens ein bescheidener Mensch war, verrät uns
Dante nicht.
„O Herr, dass du die Wonnelust tief – innen
In mir, die mich bei deinem Wort durchfließt,
Da wo die Güter enden und beginnen,
So deutlich wie ich selbst erkennst und siehst,
Mehrt meine Lust und steigert ihr Genießen
Weil sich‘ s in Gottbetrachtung dir erschließt.
Im Original
«Però ch'i' credo che l'alta letizia
che 'l tuo parlar m'infonde, segnor mio,
là 've ogne ben si termina e s'inizia,
per te si veggia come la vegg'io,
grata m'è più; e anco quest'ho caro
perché 'l discerni rimirando in Dio.
Weil ich glaube, dass die große Freude
die mir deine Rede gibt, mein Herr,
da wo alles Gute beginnt und endet
wenn sie zeigt sich dir, wie ich sie sehe,
erscheint sie mir noch gesteigert;
weil ich sie fühlend Gott erschaue
Das „da wo“ ist Gott, dort endet und beginnt alles Gute. Das Gebrabbel
von Karl Martell steigert seine Freude und diese wiederum vergrößert
sich in dem Bewusstsein, dass sie selber von Gott herrührt. Wieso ein
Monolog über die möglichen, aber nicht realisierten Meriten Karl
Martells seine Freude steigert und wieso die Freude über die möglichen
Meriten ein Ausdruck Gottes sind, versteht kein Mensch. Der Autor hatte viele
Leute im Taxi, die reichlich mit Bier abgefüllt waren und ihm viel erzählt
haben von irgendwelchen persönlichen Meriten, die Menge ist proportional
zur Anzahl der Bierflaschen, aber Gott hat sich ihm in diesem Gebrabbel nicht
gezeigt und seine Freude hielt sich durchaus in Grenzen.
Wohl ließ dein Wort mir Lust und Lehre fließen,
Doch löse diesen Zweifel mir zuerst:
Wie kann aus edelm Samen Bittres sprießen?“
Aus dem bisher Gesagten floss Dante Lust und Lehre??!! Also was die Lust angeht, lässt der Autor ja mit sich reden, es kann schon ganz spaßig sein, sich mit so einem verzogenen Prinzen zu unterhalten. Wie aber jemand, der mit 24 Jahren weitgehend bedeutungslos sich aus dem Leben verabschiedet hat, jemanden lehren kann, ist dem Autor ein Rätsel. Die zweite Frage gehört natürlich zu den Fragen, die dem Autor auf den Nägeln brennen. Wie kann es Kinder und Jugendliche geben, die nicht mehr richtig ticken? Wie sattsam bekannt, ist dies ein Thema der florierenden Psychoratgebereihe. Das sind dann die Bücher, die die Frage beantworten, warum die Kinder zu der Gruppe von Leuten gehören, vor der sie ihre Eltern immer gewarnt haben. Ein kurzer Blick in Goethes Faust (Teil II) wird besorgte Eltern beruhigen.
Doch sind wir auch mit diesem nicht gefährdet,
In wenig Jahren wird es anders sein:
Wenn sich der Most auch ganz absurd gebärdet,
Es gibt zuletzt doch noch e' Wein.
Sie könnten jetzt aber, bevor Sie weiterlesen sich die Frage stellen, ob Sie tatsächlich erwarten, dass Dante auf diese Frage eine Antwort geben wird. Es kommt also zum Show down zwischen den Psychoratgebern und Dante. Die Antwort bei Dante wird irgendwie christlich sein, davon können Sie ausgehen, die der Psychoratgeber irgendwie psychologisch, treffen werden sie sich im Niveau.
So ich – und er: „Wenn Wahrheit du begehrst,
So lass mich dir sie erst vor Augen stellen,
Da du bis jetzt ihr noch den Rücken kehrst.
Der Ton ist etwas altklug überheblich, aber das ist nun mal so im Himmel, so tönt auch Beatrice, die sind alle von Wahrheit erfüllt.
Das Gut, das diesem Reich verleiht den schnellen
Doch selgen Umschwung, lässt als tätge Kraft
Die Vorsicht durch die Weltenkörper schwellen.
Im Original
Lo ben che tutto il regno che tu scandi
volge e contenta, fa esser virtute
sua provedenza in questi corpi grandi.
Der gute Geist, der das ganze Reich, dass
Du durchwanderst dreht und sättigt, wirkt
In diesen großen Körpern
Darunter kann man sich jetzt natürlich was vorstellen, das ist halt ein
großer Geist, der die paradiesischen Sphären durchdringt und auch
in den Planeten wirkt. Ein italienischer Kommentar zu den Versen sieht so aus.
Dio, che fa volgere e che rende lieto tutto il Paradiso che tu
attraversi, fa in modo, nella sua alta previdenza, che vi siano speciali
vie d'influsso in questi grandi pianeti. E non soltanto Dio pensa a
provvedere alle indoli umane, ma pensa anche alla loro conservazione
e al loro perfezionamento.
Gott, der das ganze Paradies, welches du durchschreitest, in Schwung hält und glücklich macht, sorgt dafür, in seiner weisen Voraussicht, dass es auf diesen großen Planeten spezifische Einflüsse gibt. Aber Gott denkt nicht nur an die trägen Menschen, sondern denkt auch an ihre Erhaltung und ihre Perfektionierung.
aus: http://www.mediasoft.it/dante/
Der Autor hat bis jetzt noch nicht wirklich den Eindruck, irgendwie schlauer geworden zu sein, aber was noch nicht ist, kann ja noch werden.
Und nicht nur für die Wesen sorgt und schafft
Vorsehend dieser Geist; nein: wohlerwogen
Hält er sie selber und ihr Heil in Haft
Im Original
E non pur le nature provedute
sono in la mente ch'è da sé perfetta,
ma esse insieme con la lor salute:
Und nicht nur sind die Wesen schon vollendet
in dem Geiste dessen der vollendet
sondern deren Heil ist auch gesichert
Das soll also heißen, dass die Menschen so, wie sie sind schon fertig sind im Geiste Gottes und er auch für ihre Zukunft gesorgt hat; er bestimmt also nicht nur wie sie sind, sondern auch, wie sie werden. Wer bis jetzt noch gezweifelt hat, dass Karl Martell eine Menge Bier intus hat, wahrscheinlich waren auch weniger sämige Getränke darunter, der fühlt sich jetzt endgültig eines Besseren belehrt.
Drum, was auch immer abschnellt dieser Bogen,
Es kommt auf seinem vorbestimmten Lauf
Gleich einem sichern Pfeil ins Ziel geflogen.
Also wenn es so ist, dass die Veranlagung von Gott bestimmt ist oder von den Planeten oder von sonst wem und schon feststeht, wie sich diese Veranlagung entwickelt, wo bleibt dann der freie Wille, auf den Dante sonst so einen Wert legt? Der freie Wille bestand zwar lediglich darin, freiwillig sich gegen Gott und damit für die Hölle zu entscheiden, aber immerhin. Jetzt aber entwickelt sich alles zwangsläufig, wer mit einer Al Capone Veranlagung auf die Welt kommt, wird halt Al Capone. Die Sache ist einfach die, das Niveau Dantes ist verdammt niedrig. Man müsste, wenn man ihm was beibringen wöllte, wirklich ganz von vorne anfangen. Man müsste ihm Hegel erklären, der schon zutreffend festgestellt hat, dass der Mensch vor allem ein geschichtliches Wesen ist und was er ist, ist das Produkt der Gesellschaft, in welcher sich der Geist in einem historischen Moment spiegelt. Ohne Gesellschaft ist er nichts, denn das reine, unmittelbare Sein ist das Nichts. Das wird dann bei Marx ein bisschen ökonomischer, der Mensch ist vor allem durch die wirtschaftliche Situation geprägt: das Sein bestimmt das Bewusstsein. In derselben Tradition ist dann Adorno in seiner ästhetischen Theorie. Kunst spiegelt eine gesellschaftliche Verfasstheit, selbst die Materialien sind das Produkt einer gesellschaftlichen Entwicklung. Ursprünglich Bestandteil religiöser Zeremonien, hat sie sich von diesen vollständig gelöst. Eine Veranlagung mag es geben, davon spricht auch Goethe.
Dämon
Wie an dem Tag, der dich der Welt verliehen,
Die Sonne stand zum Gruße der Planeten,
Bist alsobald und fort und fort gediehen
Nach dem Gesetz, wonach du angetreten.
So mußt du sein, dir kannst du nicht entfliehen,
So sagten schon Sibyllen, so Propheten;
Und keine Zeit und keine Macht zerstückelt
Geprägte Form, die lebend sich entwickelt.
TYCHÊ, das Zufällige
Die strenge Grenze doch umgeht gefällig
Ein Wandelndes, das mit und um uns wandelt;
Nicht einsam bleibst du, bildest dich gesellig,
Und handelst wohl so, wie ein andrer handelt:
Im Leben ist’s bald hin-, bald widerfällig,
Es ist ein Tand und wird so durchgetandelt.
Schon hat sich still der Jahre Kreis geründet,
Die Lampe harrt der Flamme, die entzündet.
Die von Gott gegebene Veranlagung verbucht Goethe also glatt unter Dämon. Bei Goethe geht es dann aber weiter. Was man aus der Veranlagung macht, hängt auch vom Zufall ab. Über den Anteil Veranlagung / Gesellschaft kann man jetzt streiten, aber die Dante Version, nur Veranlagung, wird wohl niemand teilen und wenn er sich das mal gründlich überlegen würde, nicht mal Dante selber.
Es wäre dieser Himmel sonst, darauf
Du wandelst, keiner Wunderwelt Erreger,
Er schüfe tote Trümmer nur zuhauf.
Im Original
Se ciò non fosse, il ciel che tu cammine
producerebbe sì li suoi effetti,
che non sarebbero arti, ma ruine;
Wenn dem nicht so wäre, würde der Himmel
Den du durchwanderst, keine Wunder
Sondern Trümmer hervorbringen
Dante meint also, dass die Individuen ordentlich sein müssen, damit im Himmel eine Ordnung sei. Wie kommt man eigentlich auf so einen Quatsch? Eine Ordnung entsteht immer dann, wenn eine mit ausreichend Macht ausgestattete Institution eine Ordnung vorgibt. Wenn zum Beispiel Politiker von sozialer Marktwirtschaft reden, haben sie zwar keine Ahnung, von was sie reden, aber man hat es mit einem System zu tun, das einen bestimmten Ordnungsrahmen setzt, der dann ein bestimmtes Ergebnis produziert. So gesehen ist die soziale Marktwirtschaft eine Spielart des Ordoliberalismus, gekennzeichnet dadurch, idealtypischerweise, dass sich der Staat zwar nicht einmischt wie und was produziert wird, sehr wohl aber in die Verteilung dessen, was produziert wird, flankiert durch ein soziales Sicherungssystem und Arbeitnehmerrechte. Diese Regeln sorgen dann für, so die Theorie, ein politisch gewünschtes Ergebnis. Die eigentlich spannende Frage, für Dante natürlich völlig uninteressant, aber entscheidend für den Rest der Menschheit, ist dann die Feinjustierung dieses Systems. Ganz aktuell ist zum Beispiel die Frage, wie man den Staat kontrolliert, wenn dieser einen immer größeren Teil des BSP verknuspert. Wahrhaft revolutionär wäre zum Beispiel die komplette Abbildung aller Geldströme des Bundeshaushaltes, da wüssten dann die Steuerzahler, was wie viel gekostet hat und sehr viele Leute hätten wohl Ideen, wie man das auch hätte billiger produzieren können. Den Autor zum Beispiel würde interessieren, wie viel Geld für Schulbücher ausgegeben wird. Da die infos24 GmbH nämlich solches Material in höchster Qualität herstellt, hätte er ganz konkrete Vorstellungen, wie man da sehr viel Geld bei besserer Qualität sparen könnte. Wie dem auch immer sei, für eine Ordnung braucht es keine ordentlichen Individuen. Weiter hat dieser Ansatz auch keine konkrete Relevanz. Über die Spielregeln, wie eine Gesellschaft funktioniert, kann man alle vier Jahre abstimmen und folglich nachjustieren. Setzt man auf die Individuen, dann kann man nur hoffen, dass der Herrgott das richtig macht. Dante behauptet ja nur, dass der liebe Gott die Individuen ordentlich veranlagt auf die Erde bringt. Man kann ihm das jetzt glauben, man kann es aber auch lassen.
Drum, was auch immer abschnellt dieser Bogen,
Es kommt auf seinem vorbestimmten Lauf
Gleich einem sichern Pfeil ins Ziel geflogen.
Sagen will er also, dass sich jeder seiner gemäß von Gott gegebenen Veranlagung entwickelt, die konkrete Ausgestaltung der Gesellschaft spielt also bei ihm überhaupt keine Rolle. Denkt man das zu Ende, bräuchte man auch über die Gestaltung unseres Bildungssystems nicht weiter nachzudenken. Es sieht so aus, dass die Philologen diese Ansicht teilen, vielleicht ist das der Grund, warum Philologen sich nie Gedanken über Didaktik machen oder wie man Dinge spannend aufbereitet. Sie gehen wohl wie Dante davon aus, dass das alles weitgehend wurscht ist. Betrachtet man dann noch, wie die Jungs und Mädels vom Deutschen Philologenverband texten, dann ist man endgültig bei Dante angelangt.
1. Im Interesse der originären Aufgabe des Gymnasiums, der Vermittlung
einer
vertieften Allgemeinbildung und Studierfähigkeit, fordert der Deutsche
Philologenverband angesichts der aktuellen bildungspolitischen Entwicklungen
die Beibehaltung des Niveaus und Anspruchs gymnasialer Bildung auch im achtjährigen
gymnasialen Bildungsgang.
Da machen sich also Leute ohne Berufserfahrung darüber Gedanken, wer studierfähig ist und wer nicht. Die machen sich sogar darüber Gedanken, wer geeignet ist für das Gymnasium, diese Eignung soll sich nämlich ergeben aus
„einer eignungsbezogenen, an den Noten in den Fächern Deutsch,
Mathematik
und Fremdsprache orientierten Übergangsempfehlung für die weiterführenden
Schulen am Ende von Klasse 4“.
Die glauben also ganz ernsthaft, dass das, was ein 10 jähriges Kid so von sich gibt, irgendetwas aussagt über dessen Kompetenzen und Potentiale. Damit sind sie fast bei Dante, von der konkreten Situation, in der das Kind aufwächst, wird völlig abstrahiert. Der Autor ist sich ja noch nicht ganz sicher, ob man Hegels Phänomenologie des Geistes gelesen haben muss, um zu der Erkenntnis zu gelangen, dass das Umfeld, zumindest bei Kindern, prägend ist. Er würde eher dazu tendieren, anzunehmen, dass für diese wahrlich nicht subtile Einsicht, also dass aus der Fähigkeit Zahlen zu addieren und Sätze hinzuschreiben kein umfassendes Bild der Persönlichkeitsstruktur gewonnen werden kann, schon der gesunde Menschenverstand, Berufserfahrung und etwas Lebenserfahrung ausreicht. Diese drei Eigenschaften scheinen aber bei Beamten nicht vorzuliegen. Ernster zu nehmen sind die Erkenntnisse der PISA Studie. Die weltweit mit am besten bezahlten Lehrer produzieren die schlechtesten Ergebnisse. Vielleicht sollten den Defiziten der verbeamteten Geistlichen mal durch Praktika in Unternehmen abgeholfen werden. Auf jeden Fall texten die Brüder und Schwestern so, da fehlt nur noch Beatrice, die Angestellte im öffentlichen Dienst des Paradieses. Irgendwie staatstragend.
„Nach wie vor steht im Gymnasium die inhaltliche Qualität gymnasialer
Bildungsarbeit
im Mittelpunkt aller Überlegungen. Bildung ist einerseits mehr als nur „materiale
Bildung“, das Beherrschen von „Wissen“, eine Anhäufung
von Fakten, ggf. nur für ein
bestimmtes Studium oder einen speziellen Berufsbereich funktionales Wissen.
Bildung erschöpft sich aber auch nicht in der Vermittlung von „formalen“ sog.
Schlüsselqualifikationen. Abiturientinnen und Abiturienten sollen im Zusammenspiel
„materialer“ und „formaler“ Bildungskomponenten im umfassenden
Sinn die geistigen
und persönlichkeitsbezogenen Voraussetzungen zur Erschließung ihrer
selbst und
der Welt vermittelt werden, die im Abwägen von Wissen und Werthaltung
zu
eigenem Urteil und damit zur politischen Mündigkeit und zu sozial verantwortlichem
Handeln befähigen.“
Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Wir hatten ja bei unserem Sprachprojekt tatsächlich zahlreiche Anläufe unternommen, Lehrer einzubinden, haben aber den Eindruck gewonnen, dass die Lehrer ganz und gar nicht in der Lage sind, zu einem eigenen Urteil zu kommen. Die meisten sind weder faktisch in der Lage zu diesem Projekt einen substantiellen Beitrag zu leisten, auch nicht, wenn es um linguistische Fachfragen im engeren Sinne geht, noch haben sie überhaupt Lust, dies zu tun. Zahlreich die Fälle, die nicht mal die Computerkenntnisse besitzen, die die von ihnen zu evaluierenden Kiddies haben. Die Potentiale, die das Internet in didaktischer Hinsicht bietet, sind diesem Personenkreis nicht zu vermitteln. Ob sich die verbeamteten Geistlichen sich selbst erschlossen haben („…Erschließung ihrer selbst…“) , wissen wir auch nicht. Das ist gar nicht so einfach, mit dem „Erkenne dich selbst“, manche Leute steigen mit einem völlig Fremden ins Grab und wer davon ausgeht, dass man vom Verhalten eines Kindes umfassende Prognosen über dessen persönliche Entwicklung ableiten kann, der hat das gleiche Problem wie Dante.
Dies kann nicht sein: Sonst wären auch die Heger
und Lenker der Gestirne mangelhaft,
Und mangelhaft ihr Schöpfer und Beweger;
Die Logik können wir ebenso wenig nachvollziehen wie die Logik, dass Ordnung nur entsteht, wenn die Individuen ordentlich sind. Ordnung entsteht, wenn eine mit ausreichend Macht ausgestattete Instanz Regeln vorgibt und die Nicht-Einhaltung derselben auch sanktionieren kann. Die Idee, dass es einen Lenker gibt, der Ordnung schafft, ist im übrigen im Christentum überhaupt nicht enthalten. Das Christentum ist zwar, was konkrete Aussagen angeht ein so windelweiches System, dass man kaum irgendwelche konkreten Aussagen destillieren kann, aber zumindest in der Bibel stellt sich Gott keineswegs als der Lenker dar, der irgendeine Ordnung durchsetzen kann. Sein Volk ist eigentlich reichlich widerspenstig und macht immer mal wieder das, worauf es Lust hat. Wir vermuten eher, dass Dante hier an Platon denkt. Naheliegenderweise hat der Autor jetzt wenig Lust, das Ganze detailliert aufzudröseln, der Aufwand muss in einem Verhältnis zum Nutzen stehen. Es läuft aber auf das Gleiche hinaus, ob jemand den Idealzustand in einem ursprünglichen Zustand sieht oder den Idealzustand als das Werk eines umfassenden Geistes auffasst. Beide Varianten hypostasieren einen bekannten Idealzustand, der entweder da war oder sich durch die ordnende Kraft eines Gottes / Weltgeistes / Schöpfers ergeben wird. Beide Varianten sind also letztlich statisch. Wer jetzt sagt, dass Dante uns heute was zu sagen hätte, stellt sich quer zu beiden Hauptströmungen der deutschen Philosophie der Nachkriegszeit, sowohl zu Karl Popper und seinem kritischen Rationalismus wie auch zur Frankfurter Schule und deren erweitertem Umfeld (Ernst Bloch und seinem Prinzip Hoffnung). Würde man jetzt diese schweren Kanonen abfeuern, würde die Diskussion zwar zielführend, aber Dante wäre vom gedanklichen Tiefgang so in etwa auf das Niveau eines Schulaufsatzes reduziert, der mit der Note drei bewertet würde, unter Berücksichtigung des Alters befriedigend.
Die Kritikpunkte Poppers gegen jede Hypostasierung eines bekannten Idealzustandes wären: Wie sich die Menschheit entwickelt, ist abhängig von ihrem Wissen, unter anderem eben auch vom technologischen Fortschritt. Was heute als möglicher Konfliktherd gilt, Wassermangel / Energiemangel / Mangel an Rohstoffen kann morgen völlig aus dem Blickfeld geraten sein, weil die Probleme durch technische Innovationen gelöst werden. Der technische Fortschritt ist aber nicht prognostizierbar, wie auch der Wissenszuwachs und die Dynamik, die dieser Wissenszuwachs in Gang setzt, nicht prognostizierbar ist. Im Moment erleben wir zum Beispiel nicht nur eine Explosion des Wissens, wir erleben sogar, wie dieses Wissen in Sekundenschnelle in beliebiger Präzision über die Welt verbreitet wird. Wir erleben sogar, durch technischen Fortschritt, dass die ganze Welt zu einem globalen Dorf geworden ist. Es ist einfacher, mit jemandem in Honolulu zu kommunizieren als mit jemandem, der in der Küche sitzt. Um mit letzterem zu sprechen müsste man ja aufstehen. Diese Zeilen wird der Autor wohl in zehn Jahren wieder streichen müssen, weil es jemand lesen wird, der gar nicht versteht, was daran jetzt so aufregend sein soll. Wenn wir aber in den letzten 15 Jahren eine derartige Veränderung der Welt erfahren haben, wobei zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte die Phantasie der tatsächlichen Entwicklung hinterherhinkte, dann können wir annehmen, dass sich ein Idealzustand nicht prognostizieren lässt. Das Ideal ist ein offener Horizont, den wir nicht kennen, der aber ständig verschoben wird. Wer aber das Ideal als bekannten Endzustand hypostasiert, sei es die klassenlose Gesellschaft, das Paradies oder der von Philosophen regierte Staat, wird die Gesellschaft diesem Leitbild gemäß ausrichten wollen. Da diese Strömungen sich im Besitz der absoluten Wahrheit glauben, da sie den Idealzustand ja kennen, werden sie gegen jede Strömung vorgehen, die an eben diesen Idealzustand nicht glaubt und noch dann an ihrem Ideal festhalten, wenn die auf das vermeintliche Ideal ausgerichtete Gesellschaft zu einem gewaltigen Gefängnis geworden ist. Wer aber an den Erkenntnisfortschritt der Sozialwissenschaften einen ähnlichen Maßstab legt wie an die Naturwissenschaften, wird davon ausgehen, dass auch dort eine Behauptung nur solange richtig ist, wie ihre Falschheit noch nicht bewiesen ist. Dieser Ansatz ist das Gegenteil von Ideologie.
Bei Bloch ist es ähnlich und doch anders. Auch Bloch sieht den utopischen Horizont ständig im Fluss, von daher ist auch Bloch der Antiideologe par excellence, was sich auch daran zeigt, dass er, der sich selbst als Marxist bezeichnet, aus eben jenem Staat, bei dem der Marxismus Ideologie war, rausgeflogen ist, bzw. man froh war, dass er selber ging. Allerdings kommt Bloch, im Gegensatz zu Popper, nicht aus der Erkenntnistheorie. Während Popper lediglich zeigt, dass der Idealzustand nicht gedacht werden kann, geht es Bloch darum, utopische Funken in Geschichte, Kunst, Technik utopisch zu verlängern. Sie sollen einen Eindruck vermitteln, wie der ideale Endzustand aussehen kann. Hinsichtlich des zentralen Aspektes, des offenen Horizontes, sind sie aber im Grunde ziemlich dicht beieinander.
Die Frankfurter Schule im engeren Sinne, Adorno / Horkheimer liegen nun mit Popper im Clinch, der Streit ist als Positivismusstreit bekannt geworden. Radikal antiideologisch sind aber alle Parteien. Die Methode Poppers, die erkenntnistheoretischen Ansätze der Naturwissenschaften auf die Gesellschaftswissenschaften zu übertragen kann aber, so Adorno / Horkheimer, nicht funktionieren, wenn der Mensch selber das Ergebnis der Gesellschaft ist. Die Methode zeigt dann lediglich, was der Mensch geworden ist, aber nicht, was er ist. Um es mal einfach zu machen. Schauen sich die Leute im Fernsehen nur Müll an, würde Popper (und natürlich auch die Fernsehintendanten) sagen, dass die Menschen eben Müll sehen wollen, und dass das in Ordnung ist. Adorno / Horkheimer würden sagen, dass die Menschen Müll sehen wollen, weil die Gesellschaft die Menschen so zugerichtet hat, dass sie nur noch Müll sehen wollen. Denkt man lange darüber nach, wird man wohl feststellen, dass die Ideologiekritik der Frankfurter Schule wesentlich radikaler ist.
Wie dem auch immer sei, Dante ist noch der typische Vertreter jener Spezies, die man getrost als Chefideologe bezeichnen kann. Und sein Sprachrohr, Beatrice, glüht ähnlich für die Wahrheit und redet ähnlich blasiert daher wie der gute Krenz, Chefideologe vom Honecker, Erich oder Peter Hinze, der Chefideologe der CDU. Solche Figuren sind übrigens auch austauschbar. Der Autor hatte ja lustige Erlebnisse bei seinem Prozess im Zusammenhang mit der Verweigerung des Kriegsdienstes. Da hatte er eine Richterin vor der Nase, in der zweiten Instanz war es eine Richterin, die hätte den gleichen Schrott, den sie mir erzählt hat auch auf der anderen Seite des eisernen Vorhangs erzählt, die hätte da lediglich ein paar Wörter ausgetauscht. Dann gab es da noch einen Herrn Marschall aus der Kriegsstraße (ohne Witz, nomen est omen, der hieß so), der wäre Feldwebel geworden, wo immer ein Staat für so was eine Lebensperspektive bietet.
Genügt dir, Bruder, diese Wissenschaft?“
Und ich: „Vollständig! Der Natur bleibt immer
Bewahrt zum Wirken Schöpfertrieb und – kraft!“
Im Original
Vuo' tu che questo ver più ti s'imbianchi?.
E io: «Non già; ché impossibil veggio
che la natura, in quel ch'è uopo, stanchi».
Willst du dieses noch reiner sehen?
Und ich: „Nein, nicht mehr; für unmöglich halte ich,
dass die Natur bei diesem Werk ermüde.
Zoozmann hat also interpretiert, wahrscheinlich richtig. Dante will sagen, dass die Vorsehung nicht nur die Individuen so gestaltet, dass sie in die Ordnung passen, sondern auch dafür sorgt, dass die Individuen sich der Ordnung gemäß entwickeln. Was das konkret heißen soll, ist zwar ein Rätsel, aber das will er wohl sagen. Was die reine Biologie angeht, ist das übrigens richtig, da würde ein Molekularbiologe zustimmen, allerdings wären auf dieser Ebene alle Stufen darzustellen, das heißt alle Prozesse, die beim Lesen des genetischen Code involviert sind. Hier allerdings wissen wir gar nicht, von welcher Entwicklung er überhaupt spricht, geschweige denn, wie diese prozedural erfolgt. Wir erfahren nur, dass es nicht sein kann, dass Gott die Menschen so erschafft, dass sie nicht in die göttliche Ordnung passen, und dass es auch nicht sein kann, dass diese sich in einer Art entwickeln, die eben dieser göttlichen Ordnung entspricht. Die These kann nur der ansatzweise glauben, der Dante abnimmt, dass er tatsächlich im Paradies war, irgendwie dreht sich die Argumentation im Kreis.
Und jener: „Sprich, wär‘ s für euch Menschen schlimmer,
Wenn ihr nicht Bürger wäret auf der Welt?“ -
„Gewiss!“ rief ich; „ich zweifle daran nimmer.“
Im Original
Ond'elli ancora: «Or di': sarebbe il peggio
per l'omo in terra, se non fosse cive?».
«Sì», rispuos'io; «e qui ragion non cheggio».
Und er nochmal: Wäre es nicht schlimm für
Einen Menschen auf Erden, wenn es dort keine Ordnung gäbe?“
„Ja“, antwortete ich; „daran zweifle ich nicht.“
Auch dies ist irgendwie komisch. Die Frage, ob Ordnung oder nicht Ordnung, ist überhaupt nicht interessant. Interessant ist die Frage WELCHE Ordnung. Dante diskutiert nur über die Frage, ob es einer Ordnung bedarf oder nicht, hier kann man so ganz allgemein sagen, dass es wohl irgendeiner Ordnung braucht. Dante darf man getrost alles zutrauen, möglich ist sogar, dass er gar nicht begriffen hat, dass man sich vor allem über die Art der Ordnung unterhalten müsste.
„Und bliebet ihr‘ s, wenn ihr nicht treugesellt
Euch ließet zu Beruf und Amt verwenden –
Wie das schon euer Meister festgestellt?“
Im Original
«E puot'elli esser, se giù non si vive
diversamente per diversi offici?
Non, se 'l maestro vostro ben vi scrive».
“Und kann es eine solche geben, wenn unten
Man nicht lebt durch verschiedene Berufe?
Das kann nicht sein, wie euer Meister schon geschrieben.“
Bezug genommen wird wahrscheinlich auf das 6. Kapitel der Nikomachischen Ethik des Aristoteles. Wir sehen zwar noch nicht, dass Aristoteles (euer Meister ist höchstwahrscheinlich Aristoteles) dort oder sonstwo die Notwendigkeit der arbeitsteiligen Gesellschaft beschreibt, aber da diese tatsächlich mal eine Zeitlang als die produktivste Form des Wirtschaftens galt, lassen wir das mal durchgehen, mit oder ohne Aristoteles.
So folgerte er weiter, um zu enden:
„Drum sind verschiednem Lose auserkoren
Die Wurzeln, die euch dieses Dasein spenden.
Im Original
Sì venne deducendo infino a quici;
poscia conchiuse: «Dunque esser diverse
convien di vostri effetti le radici:
So folgerte er weiter; Um dann zu schließen:
“Euren Wurzeln ist es demnach gemäß,
verschiedene Tätigkeiten auszuführen
Dass Dante so einen Schrott geschrieben hat, ist durch die Zeit bedingt, hier würden wir mal Gnade vor Recht ergehen lassen. Wenn aber die verbeamteten Geistlichen der Dante Gesellschaft im Jahre 2008 behaupten, dass Dante heute noch aktuell sei, dann wird die Sache reichlich grenzwertig. Selbige werden eigentlich als Professoren dafür bezahlt, Studenten auf eine sich dynamisch verändernde Welt auszubilden, das heißt, auf eine Welt, in der die Berufstätigkeit mal ganz locker zwischen Linguistik / Design / Programmierung angesiedelt sein kann, zum Beispiel wenn man Sprachportale flickt, eine Berufstätigkeit, die immer wieder verlangt, dass man sich in unterschiedliche Bereiche eindenken kann, zum Beispiel in Wirtschaft / Jura, wenn man diesen Typ von Text übersetzt, eine Berufstätigkeit, die von Brüchen und Neuorientierung geprägt ist, bei der ständig Berufe verschwinden und ständig neue entstehen. Die Behauptung, dass hier irgendjemand für eine bestimmte Tätigkeit vorherbestimmt ist, ist völliger Schrott, schon allein deswegen, weil Gott nicht weiß, was in fünf Jahren ist. Selbst der Autor, der sich mit dem Internet ja schon seit zehn Jahre beschäftigt und allmählich alle Facetten des Spiels kennt, Programmierung / Design / Online Marketing / Texten für das Netz etc., wäre nicht in der Lage, irgendeine Prognose darüber abzugeben, welche Bereiche von dieser Technologie noch erfasst werden und noch weniger darüber, welche Berufsfelder in den nächsten Jahren noch entstehen und welche für immer verschwinden. Würde der Autor aus dem Nähkästchen plaudern und die Versuche schildern, die Universitäten in dieses Projekt einzubinden, was auch für zukünftige Lehrer mal ein sinnvolles Projekt wäre, dann würde durchaus der Eindruck entstehen, dass verbeamtete Geistliche Dante für topaktuell halten. Wirtschaftliche Dynamik scheint sich um Gottes Vorhersehung nicht zu kümmern.
Zum Solon wird, zum Xerxes der geboren,
Zum Melchisedek der, der zum Erfinder
Gleich dem, der fliegend seinen Sohn verloren.
Die Beispiele sind wirklich topaktuell und zur Illustrierung dessen, was Dante
sagen will, ganz hervorragend geeignet. Solon (siebtes Jahrhundert vor Christus)
war ein griechischer Staatsmann. Bekannt ist er durch Schilderungen von Historikern
(z.B. Plutarch geb. 45 nach Christus, gestorben
125 nach Christus), die wesentlich später lebten und die lediglich aus
der mündlichen Überlieferung schöpfen konnten. Bekannt sind
seine Gesetze, die zu einer Entschuldung der Kleinbauern führten. Die
Xerxes sind durchnummeriert: es gibt Nummer I und II, Dante meint wahrscheinlich
Nummer I, der ist historisch bedeutender, der hat mehr Schlachten organisiert.
Er hat gegen Griechenland bei der
Seeschlacht von Salamis (480 vor Christus) eine auf den Deckel bekommen. Melchisedek
wird Genesis (1.Buch Mose) 14,17-19 erwähnt:
Aber Melchisedek, der König von Salem, trug Brot und Wein heraus. Und er war ein Priester Gottes des Höchsten und segnete ihn und sprach: Gesegnet seist du, Abram, vom höchsten Gott, der Himmel und Erde geschaffen hat; und gelobt sei Gott der Höchste, der deine Feinde in deine Hand gegeben hat. Und Abram gab ihm den Zehnten von allem.
Die Stelle ist etwas dunkel, weil unklar ist, was es konkret zu bedeuten hat, wenn Abraham Melchidesek den Zehnten von allem gibt, was er hat. Der Erfinder schließlich ist Dedalus. Der hatte ja bekanntlich in Gefangenschaft auf Kreta aus Wachs und Federn Flügel gebastelt. Sein übermütiger Spross Ikarus allerdings kam der Sonne zu nahe, das Wachs schmolz und er stürzte ab.
Das Firmament prägt auf die Erdenkinder
Sein Siegel, lässt es wie in Wachs erscheinen,
Bevorzugt Stand und Haus nicht mehr noch minder.
Im Original
La circular natura, ch'è suggello
a la cera mortal, fa ben sua arte,
ma non distingue l'un da l'altro ostello
Die kreisende Natur, die Stempel
Ist dem sterblichen Wachs, macht ihre Sache gut,
doch macht sie keinen Unterschied zwischen den Familien
Sagen will er uns, dass die Sterne (also la circular natura, die kreisende Natur) den Sterblichen ihren Stempel aufdrückt, sie also formt, dass sie aber zwischen den Familien nicht unterscheidet. Was uns der Dichter mit seinem Werk sagen will, ist hierbei aber weitgehend unklar. Es sollte dem Dichter doch schon aufgefallen sein, dass es sehr wohl so sein kann, dass Veranlagung nicht unbedingt mit der Herkunft zusammenhängt, wie sich diese aber entwickelt, sehr wohl etwas mit der finanziellen Ausstattung der Eltern zu tun hat. Es sei konzediert, dass im Jahre 2008 einiges getan wird für die Chancengleichheit, aber Dante hätte durchaus wissen können, dass es sich als Adliger mit Landbesitz in Italien weit besser lebt, als als Tagelöhner. Zur damaligen Zeit hätte in einem Tagelöhner das kaufmännische Talent eines Medici schlummern können; ohne Startkapital wäre er kein Medici geworden. Das erinnert den Autor irgendwie an eine Diskussion, die er mit einem verbeamteten Geistlichen der Romanistik mal hatte. Der Autor war der Meinung, dass ökonomisch labile Systeme auch politisch labil sind und ökonomische Instabilität den Boden bereitet für extreme politische Ansichten. Das Professorchen sah das eher so wie Dante, die wirtschaftliche Situation spielt keine Rolle. Der eine hat zu lange in seine Bücher geschaut, der andere zu lange nach oben.
So trennt sich Esau schon seit Kindesbeinen
von Jakob, und Quirin, dem niedern Sprossen,
Gibt zum Erzeuger man der Götter einen.
Ein beliebtes Thema, das machen die Leute heute auch noch ständig, mit irgendwelchen Beispielen irgendwas beweisen. In diesem Fall allerdings ist das ziemlich skurril. Die Alltagserfahrung zeigt wohl, dass sich Geschwister in der Regel ähneln, oft auch in der Begabung, bei der Familie Bach zum Beispiel war nicht nur der Johann Sebastian ein begnadeter Komponist, sondern auch die Söhne und von den fünf Kindern Thomas Manns sind drei Schriftsteller, Klaus, Erika und Golo. Wenn also Esau behaart ist und Jakob nicht, Esau etwas täppisch und Jakob ein Schlawiner, dann könnte man sich eher fragen, ob Rebekka nicht auch noch einen anderen Lover hatte. Mit Quirinus ist Romulus gemeint, das war sein Beiname. Sein Onkel Amulius hatte seinen Vater Numitor vom Thron gestoßen und hatte dessen Tochter, Rhea Silvia, damit es keine Nachkommen gibt, zur Vestalin gemacht. Diese hat dann aber der Gott Mars vernascht und so entstanden Romulus und Remus. Merkwürdig dabei ist, dass es oben die Sterne sind, die die Anlagen prägen, jetzt kommt es irgendwie aber doch auf die konkrete Vererbung durch die Eltern an, denn wenn es ein Gott ist, dann vererbt er irgendwie seine Anlagen. Wenn es jetzt der christliche Gott wäre, gäbe das irgendwie noch Sinn, der ist ja sowieso für alles zuständig. Hier ist es aber ein Grieche, der vererbt bei Dante wahrscheinlich seine Veranlagung, wie das halt so üblich ist. Das wiederspricht aber der Prägung durch die Sterne. Irgendwie hätte Dante das mal vorher mit sich selbst abklären müssen, wie er das meint, mit der Prägung durch die Sterne und der Vererbung.
Natur im Gleichschritt würde unverdrossen
Erzeugtes dem Erzeuger ähneln lassen,
Wenn es die Vorsicht anders nicht beschlossen. -
Im Original
Natura generata il suo cammino
simil farebbe sempre a' generanti,
se non vincesse il proveder divino.
Erzeugte Natur würde einen Weg gehen
der dem der Erzeuger ähnelt
wenn die göttliche Vorhersehung nicht triumphierte
Also Karl Martell, der entgegen allem Anschein keinen freien Willen hat, denn er spult lediglich ab, was Dante ihm einflüstert und das tut er, ohne dass Dante ihn überhaupt nach seiner Meinung gefragt hat, behauptet nun, dass die Eltern ihre Eigenschaften nicht an die Kinder vererben bzw. nur dann, wenn die göttliche Vorhersehung nicht eingreift. Der Autor gibt ja zu, dass das mit der Vererbung nicht immer ganz einfach ist, er kennt zum Beispiel Leute, die blond und blauäugig sind, obwohl die Oma vollkommen schwarz war. Offensichtlich ist schwarze Haut rezessiv, solche Zusammenhänge mögen es ja erschweren, das eigentlich Offensichtliche zu sehen. Die Frage ist nun: Wie hat es Dante geschafft, nicht zu sehen, dass sich Geschwister ähneln? Es müsste ihm doch aufgefallen sein, dass das tatsächlich so ist: Erzeugte Natur geht einen Weg, der dem Erzeuger ähnelt. Das ist ziemlich offensichtlich. Ob aber die Erzeugte dann seine Fähigkeiten entwickeln kann, ist ein ganz anderes Thema. Im ersten Punkt scheint Dante also völlig verwirrt und der zweite Punkt scheint ihm als Frage gar nicht aufzufallen. Das ist das Problem. Er beantwortet eine Menge Fragen, die keiner stellen würde und die auch noch falsch sind, aber die Fragen, die viel naheliegender sind, stellt er nicht.
Was erst versteckt war, kann dein Blick nun fassen,
Doch dass ich deines Hierseins mich erfreute,
Zum Zeichen des lass dir dies Nachwort passen:
Das glaub ich auch. Da Dante via Karl Martell sowohl die Frage stellt wie diese auch beantwortet, könnte man davon ausgehen, dass er sowohl die Frage wie auch die Antwort versteht. Wenn man aber das genau analysiert, dann kann man sich durchaus fragen, ob Dante selber versteht, was er da zusammengebraut hat. Die Anfangsfrage übrigens hat er uns noch gar nicht beantwortet. Die Anfangsfrage war, wie es sein kann, dass „edlem Samen Bittres sprieße“. Schon die Frage ist aber dantesk, so abstrakt würde die Frage kein normaler Mensch stellen. Wer Fragen so abstrakt stellt, dem fehlt irgendwie der Zugang zum tobenden Leben. Natürlich fragt sich so mancher gut situierte Papa, warum Sohnemann um jeden Preis eine Rockband gründen will und nicht wie er Schlips und Kragen tragen will und Papa wird seine Ansicht auch erst dann ändern, wenn Sohnemann gut Euros auf dem Konto hat. Das sind aber alles Geschichten, die man so oder so sehen kann. Das Thema thematisiert ja auch Manuel Serrat.
Ese con quien sueña su hija,
ese ladrón que os desvalija
de su amor, soy yo, señora.
Ya sé que no soy un buen yerno.
Soy casi un beso del infierno,
pero un beso, al fin, señora.
Yo soy ese por quien ahora
os preguntáis por qué, señora,
se marchitó vuestra fragancia,
perdiendo la vida, mimando su infancia,
velando su sueño,
llorando su llanto
con tanta abundancia…
Der, von dem Ihre Tochter träumt,
dieser Dieb, der euch ihrer Liebe
Beraubt, das bin ich, gute Frau
Ich weiß, ich bin kein guter Schwiegersohn.
Bin eher ein Kuss der Hölle,
aber wenigstens ein Kuss, gute Frau
Ich bin der, wegen dem ihr euch jetzt fragt
warum, gute Frau,
euer Duft ist verwelkt,
hat das Leben verloren, ihre Kindheit gehütet,
ihren Schlaf bewacht,
ihre Klagen beweint
mit soviel Hingabe…
Tja, das ging der Tochter wohl auf die Nerven, da sieht Papa und Mama jetzt, dass aus gutem Samen Bittres sprießt. Was Dante allerdings meint, ist völlig unklar. Klarer ist das schon Adorno: Das Leben lebt nicht. Manchmal auf jeden Fall ist es umgekehrt, aus bittrem Samen fließt Gutes. Diese Möglichkeit diskutiert Dante merkwürdigerweise nicht.
Wenn aber schon die Frage reichlich abstrakt ist, dann wird die Antwort noch viel abstrakter, was wiederum zur Verwunderung Anlass gibt. Liest man die mit der schlappen Summe von 6,5 Millionen Euro (Steuergelder) initialisierte Webseite (initialisiert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, also jener Trümmertruppe, der tatsächlich eine Theologin vorsteht, sozusagen eine echte Beatrice) http://www.abc-der-menschheit.de dann finden wir dort zum Beispiel diese Zeilen:
„Geisteswissenschaften definieren sich nicht vorrangig über ihren
unmittelbaren gesellschaftlichen Nutzen, aber sie liefern bei vielen aktuellen
Debatten Hintergrundwissen, machen die Kultur und Kulturen begreifbar und vermitteln
zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.“
Das heißt übersetzt ins Deutsche: Wir akzeptieren, dass die universitären „Geisteswissenschaften“ eine
Horde von Briefmarkensammlern ist, deren pseudowissenschaftliches Geschwätz
keine Sau interessiert und das auch völlig in Ordnung geht, solange die
Schnarchnasen, die da durch die universitären Flure schlurfen am Ende
des Monats von der steuerzahlenden Gesellschaft ihr Salär überwiesen
bekommen. Sie finden, dass es durchaus reicht, irgendwie die Vergangenheit
mit der Gegenwart und diese mit der Zukunft zu verbinden, wobei sie wahrscheinlich
selber nicht wissen, was das eigentlich bedeuten soll. Mental auf jeden Fall
liegen sie auf der Schiene von Dante. Wer so verquast textet, an dem freuen
sich die Jungs und Mädels von der Geistesfront. Der Autor findet das aber
nicht harmlos. So eine Bagage sollte man nicht auf Kiddies loslassen. Die wollen
nämlich erstmal wissen, was der ganze Krempel mit ihnen selbst zu tun
hat, ganz persönlich. Um ihnen das beizubiegen, braucht man Profis.
In der letzten Terzine wird uns Dante jetzt aber eine Antwort auf die eigentliche Frage geben: warum aus gutem Samen Bittres fließt.
Fällt feindlichem Geschick Natur zur Beute,
Missrät sie so, als ob man auf ein Feld,
Das ungeeignet ihm, ein Saatkorn streute.
Er will also sagen, dass jeder den Beruf ausüben soll, für den er geschaffen ist. Geht jemand einer Tätigkeit nach, für die er nicht geschaffen ist, dann missrät er. Das ist zwar richtig, aber so trivial, dass es Blödsinn ist. Da es im übrigen sehr viele Tätigkeiten gibt, wird der einzelne schon eine Weile rumprobieren müssen, um herauszufinden, was ihm Spaß macht. In der Praxis stellt sich die Frage also wesentlich konkreter. Wie muss das Bildungssystem / die Wirtschaft und die Gesellschaft organisiert sein, damit man in relativ kurzer Zeit viel durchprobieren kann. Unter Umständen lässt sich ja zum Beispiel mit verbesserten didaktischen Konzepten und unter Einsatz des Internets (wobei die Impulse hier von außen kommen müssen, die Universitätsheinis werden das nicht schaffen) die Studienzeit pro Studiengang bei gleicher Qualität so verkürzen, dass man auch zwei Studiengänge absolvieren kann, bei insgesamt geringeren Kosten. Die infos24 GmbH wird entsprechende Konzepte konkret umsetzen. Das hat sie schon für den Bereich Informatik gemacht, das hat sie für den Bereich Sprache gemacht und sie wird das auch für den Bereich VWL / BWL tun, ganz konkret.
Bequemte sich nur immer eure Welt,
Auf die Naturgesetze achtzugeben,
Viel besser mit der Menschheit wär‘ s bestellt.
Im Original
E se 'l mondo là giù ponesse mente
al fondamento che natura pone,
seguendo lui, avria buona la gente.
Würde die Welt nur respektieren
Das Fundament, das von der Natur gelegt,
ihm folgend, wären die Menschen gut
Wie die deutsche Dante Gesellschaft auf die Idee kommt, dass Dante uns heute irgendwas zu erzählen hat, kann sich der Autor nur dadurch erklären, dass die Jungs und Mädels irgendwie auf einem anderen Globus leben, nämlich in einem durch Steuergelder finanzierten Paradies der Briefmarkensammler. In einer modernen Gesellschaft geht es darum, die Leute für die jeweiligen Jobs zu begeistern. Wenn es zum Beispiel zu wenig Informatiker / Ingenieure gibt, dann wird man über die didaktischen Konzepte nachdenken müssen. Der Ausbildungsstand muss Schritt halten mit dem technischen Fortschritt. Wenig sinnvoll ist es, von einem gegebenen Potential auszugehen und dafür Jobs zu suchen, wie Dante sich das vorstellt.
Ihr aber zwingt den Mann zum Klosterleben,
Der für das Schwert geboren, um den andern
Statt auf die Kanzel auf den Thron zu heben -
Drum sieht man euch so oft im Irrtum wandern!“
Wer hier ganz gewaltig im Irrtum wandelt, ist Karl Martell und sein Mentor Dante.