Die Pforte hatten wir durchschritten grade
Die falsche Liebe wenig hält im Gange
Denn grade lässt sie sein die krummen Pfade

Da haben wir schon das erste Rätsel. Was will uns der Dichter mit seinem Werk sagen, und wessen Gedanken fasst er hier andeutungsweise zusammen? Oder schöpfte er mal ausnahmsweise aus seiner eigenen, tiefbewegten Brust? Auf jeden Fall gibt es wohl eine Liebe, die schnurstracks ins Paradies führt und eben eine andere, wo man fünfe gerade sein lässt. Letztere ist wohl die romantischere, denn die, die Dante meint, ist wohl auf die Dauer langweilig, aber das sieht er wohl nicht so, vermute ich.

Da schloss sie sich, ich hörte das am Klange
Denn hätt ich zurückgeblickt zum Tor
Gäb es Erfahrung, die im Ernst verfange?


Den hatten wir schon (neunter Gesang). Bezug genommen wird wieder auf die Stelle im Lukasevangelium (9,62), wo Jesus seine Jünger auffordert, ihm zu folgen, ohne zurückzuschauen („Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.“)

Durch eine Felsenspalte ging‘ s empor
Die wie ein Fluss sich wand nach beiden Seiten
Bald wich sie rückwärts aus, bald sprang sie vor

Nach dem Tor ist offensichtlich der Blick auf den Läuterungsberg noch nicht frei. Dante und Vergil befinden sich in einer Art Schlucht, die sich nach oben windet, bis sie endlich auf einer Plattform stehen, die den Blick auf den Läuterungsberg freigibt.

Daher geschah‘ s, dass wir nur langsam stiegen
So dass die Mondessichel schon zur Welle
Hinstrebte, sich im kühlen Bad zu wiegen


Das ist etwas frei übersetzt. Im Orginal heißt es.

E questo fece i nostri passi scarsi,
tanto che pria lo scemo de la luna
rigiunse al letto suo per ricorcarsi,


Das ließ unsere Schritte langsam werden
so dass die bei diesem Stand des Mondes
dieser wieder sein Bett bestieg um auszuruhen


Tatsache ist aber, dass Dante meint, dass der Mond im Meer versinkt, dann kann er eben auch ein kühles Bad nehmen.

Vom Saum, wo er von freier Luft umgeben
Maß er drei Manneslängen bis zur Masse
Des Bergs, wo sie begann sich neu zu heben


Sie stehen also auf einem Absatz, der drei Manneslängen breit ist, auf der einen Seite der Läuterungsberg und auf der anderen Seite der freie Fall.

Da fand sah ich rings, dass diese Art Terrasse
Den Hang – wohin ich auch den Blick ließ dringen
Nach rechts und links im Kranz umfasse


Das heißt auf Deutsch, dass die Terrasse um den Berg herum läuft, also wie eine Aussichtsplattform auf einem Turm. Entscheidend ist nun, dass es nicht so ist wie beim Turm von Babel, der im Allgemeinen so dargestellt wird, dass eine Spirale sich um den Berg herumschlängelt, auf der man aufwärts wandern kann. Das ist hier nicht so, jede Plattform steht parallel zur nächst unteren.

Da fand ich, eh wir droben weitergingen
Dass marmorn war der Berg – der dem Gelüste
Zum Aufstieg nirgends Hoffnung schien zu bringen


Das wird also in Zukunft immer wieder zum Problem, denn sie wissen nicht, wie sie von einer Plattform zur nächsten kommen. In diesem Fall werden sie die Treppe erst im 13 Gesang finden.

Und dass er, wie ich‘ s nirgends schöner wüsste
Verziert mit Bildwerk war, dass Polyklet
Ja selbst Natur beschämt hier stehen müsste


Es ist ja inzwischen hinreichend bekannt, dass Bildung heute nur noch den Sinn hat, die Fragen von „Wer wird Millionär“ von Günther Dingsda zu beantworten. Polyklet ist so die Kategorie, die da mal auftauchen könnte. Polyklet (geboren etwa 480 vor Christus) ist zusammen mit Phidias und Kresilas der bekannteste Bildhauer der griechischen Antike. Überliefert sind seine Werke jedoch nur als römische Kopien in Marmor. Den Nachsatz „ja selbst Natur beschämt hier stehen müsste“ können wir natürlich so nicht stehen lassen. Polyklet war ein Künstler. Der Satz stellt irgendwie einen Zusammenhang dergestalt her, dass in der Regel die Natur der Kunst überlegen ist. Hier wird das Abstraktionsniveau sehr hoch, würde man heute wohl sagen. Denn eigentlich ist es allein die Kunst, die, unter anderem, Natur überhaupt vermittelt. Was ist schon der Kreidefelsen auf Rügen gegen den gemalten Kreidefelsen von Rügen von Caspar David Friedrich. Das Spannungsfeld zwischen Natur und Kunst ist ein weites Feld, immerhin hat ja auch Adorno darüber über 600 Seiten geschrieben (Ästhetische Theorie). Das fragt aber Jauch, Günther nicht in der Dingsda Sendung, also was da drin steht, von daher müssen wir auch nicht darauf eingehen.

Der Engel, der zur Erde das Dekret
Des langersehnten Friedenschlusses brachte
Wonach der Himmel wieder offen steht

Beschrieben wird die Verkündigung Marias durch den Engel Gabriel, beschrieben ist das im Orginal in Lukas, 1, 31-38
„Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären, des Namen sollst du Jesus heißen.
Der wird groß sein und ein Sohn des Höchsten genannt werden; und Gott der HERR wird ihm den Stuhl seines Vaters David geben; auf daß seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende auf dem Stuhl Davids und in seinem Königreich, daß er's zurichte und stärke mit Gericht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit. Da sprach Maria zu dem Engel: Wie soll das zugehen, da ich von keinem Manne weiß? Der Engel antwortete und sprach zu ihr: Der heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten; darum wird auch das Heilige, das von dir geboren wird, Gottes Sohn genannt werden. Und siehe, Elisabeth, deine Gefreunde, ist auch schwanger mit einem Sohn, in ihrem Alter und geht jetzt im sechsten Monat, von der man sagt, daß sie unfruchtbar sei. Denn bei Gott ist kein Ding unmöglich. Sollte dem HERRN etwas unmöglich sein? Maria aber sprach: Siehe ich bin des HERRN Magd; mir geschehe, wie du gesagt hast. Und der Engel schied von ihr.

Auf den Rest müssen wir dann nicht näher eingehen, das hat irgendwie was mit Erbsünde zu tun, und dass man davon irgendwie durch Jesus erlöst wird und anderen Dingen. Das versteht wirklich nur, wer es wirklich, aber ganz wirklich, verstehen will.

Man schwor, dass er gleich Ave lispeln werde
Denn die war auch zu sehen, die den Riegel
Zur höchsten Liebe aufgetan auf Erde


Also wer da Ave sagt, ist der Erzengel Gabriel und da es so realitätsnah dargestellt ist, meint man ihn auch zu hören. „Die“, die da auch gesehen ward, ist Maria. Das Ave ist tatsächlich richtig, so steht das auch im italienischen Orginal.

Giurato si saria ch'el dicesse "*Ave*!"
perché iv'era imaginata quella
ch'ad aprir l'alto amor volse la chiave;


Man hätte geschwört, dass “Ave” er gesagt
weil dort auch jene war zu sehen
die öffnend die hohe Liebe, umgedreht den Schlüssel


Wie Dante auf das Ave kommt, ist unklar, es findet sich aber in vielen Reimgebeten.

Ave verum corpus natum
de Maria virgine.
Vere passum, immolatum
in cruce pro homine.
Cuius latus perforatum
unda fluxit et sanguine.
Esto nobis praegustatum
in mortis examine.

Gruß dem wahren Leib, geboren
aus Maria, reinem Weib.
Echt gefoltert, hingeopfert
am Kreuz für des Menschen Heil.
Mit der Lanze aufgestochen,
Wasser floss heraus und Blut.
Sollen wir gekostet haben,
wenn der Tod uns prüfen wird.

Dann kommt noch ein bisschen Latein.

Ihr Antlitz schien, als wär‘ s der Worte Spiegel
Ecce ancilla dei fromm zu sagen
Und deutlich wie in Wachs sich prägt ein Siegel


Ecce ancilla dei sind die letzten Worte Marias, bevor der Engel wieder davon braust: „Ich bin des Herrn Magd.“

Dieser Vers ist dann unverständlich, weil er falsch übersetzt ist.

Du siehst nur, was die rechten Seiten tragen
An Bildwerk, mahnte mich Vergil, der neben
Mir ging, da wo man fühlt des Herzens Schlagen

Von einer rechten Seite ist im Orginal nichts zu finden und da sie gegen den Uhrzeigersinn um den Turm wandern, sind der Turm und die Bilder immer links von Dante, Vergil läuft neben ihm, also am Abgrund.
Der Vers lautet im Orginal so:

Non tener pur ad un loco la mente»,
disse 'l dolce maestro, che m'avea
c onde 'l cuore ha la gente.

Du sollst auf einen Punkt nur deine Sinne lenken
der sanfte Meister sprach, der dort mich trug
wo das Herz des Menschen sich befindet


Dante soll also seinen Blick über das gesamte Gemälde schweifen lassen, und Vergil hat ihn zu seiner Linken, dort wo sich das Herz befindet.

Und sah, gleichfalls in Marmor eingeschnitten
Das Stiergespann die Bundeslade bringen
Die unberufenen Diener nie gelitten

Dante bleibt sich also seiner Technik treu. Auf die eine Andeutung folgt die nächste. Ergäbe sich hieraus eine Verdichtung oder erstaunliche Deutung des Stoffes, wie etwa bei „Joseph und seine Brüder“ von Thomas Mann, so fänden wir das ganz passabel. Was wir von der Andeutung alleine, ohne jede Verdichtung, Interpretation oder Neuinterpretation halten sollen, wissen wir nicht. Wir müssten also wieder ganz weit ausholen, um die Sache in einen Zusammenhang zu stellen. Der Vers stellt ab auf eine Geschichte des alten Testaments, auf das sechste Buch Samuel.

„Und David sammelte abermals alle junge Mannschaft in Israel, dreißigtausend, und machte sich auf und ging hin mit allem Volk, das bei ihm war, gen Baal in Juda, daß er die Lade Gottes von da heraufholte, deren Name heißt: Der Name des HERRN. Zebaoth wohnt darauf über den Cherubim und sie ließen die Lade Gottes führen auf einen neuen Wagen und holten sie aus dem Hause Abinadabs, der auf dem Hügel wohnte. Usa aber und Ahjo, die Söhne Abinadabs, trieben den neuen Wagen. Und da sie ihn mit der Lade Gottes aus dem Hause Abinadabs führten, der auf einem Hügel wohnte, und Ahjo vor der Lade her ging, spielte David und das ganze Haus Israel vor dem HERRN her mit allerlei Saitenspiel von Tannenholz, mit Harfen und Psaltern und Pauken und Schellen und Zimbeln. Und da sie kamen zu Tenne Nachons, griff Usa zu und hielt die Lade Gottes; denn die Rinder traten beiseit aus. Da ergrimmte des HERRN Zorn über Usa, und Gott schlug ihn daselbst um seines Frevels willen, daß er daselbst starb bei der Lade Gottes. Da ward David betrübt, daß der HERR den Usa so wegriß, und man hieß die Stätte Perez-Usa bis auf diesen Tag. Und David fürchtete sich vor dem HERRN des Tages und sprach: Wie soll die Lade des HERRN zu mir kommen? Und wollte sie nicht lassen zu sich bringen in die Stadt Davids, sondern ließ sie bringen ins Haus Obed-Edoms, des Gathiters. Und da die Lade des HERRN drei Monate blieb im Hause Obed-Edoms, des Gathiters, segnete ihn der HERR und sein ganzes Haus. Und es ward dem König David angesagt, daß der HERR das Haus Obed-Edoms segnete und alles, was er hatte, um der Lade Gottes willen. Da ging er hin und holte die Lade Gottes aus dem Hause Obed-Edoms herauf in die Stadt Davids mit Freuden. Und da sie einhergegangen waren mit der Lade des HERRN sechs Gänge, opferte man einen Ochsen und ein fettes Schaf. Und David tanzte mit aller Macht vor dem HERR her und war begürtet mit einem leinenen Leibrock. Und David samt dem ganzen Israel führten die Lade des HERRN herauf mit Jauchzen und Posaunen. Und da die Lade des HERRN in die Stadt Davids kam, sah Michal, die Tochter Sauls, durchs Fenster und sah den König David springen und tanzen vor dem HERRN und verachtete ihn in ihrem Herzen. Da sie aber die Lade des HERRN hereinbrachten, stellten sie die an ihren Ort mitten in der Hütte, die David für sie hatte aufgeschlagen. Und David opferte Brandopfer und Dankopfer vor dem HERRN.“

Das müsste man jetzt noch einordnen in den Zusammenhang der christlichen Mythologie. Also David ist der, der auf der Startseite dieser Website prangt, der durchaus attraktive, junge Mann, erschaffen von Michelangelo und durch den Ansturm an Touristen, den er verursacht, die Lizenz zum Geld drucken. Dieser David war der Sohn eines Hirten und wurde mehr zufällig, zumindest nach einer Darstellung, in die Kriegswirren des ganz frühen Palästina (1000 vor Christus) verwickelt. In dem was heute Israel ist, lebten drei Gruppen, die Philister, die Israeliten (die 12 Stämme die, wie auch immer, aus den zwölf Söhnen Jakobs hervorgegangen sind, nachdem sie eine Weile zwangsweise in Ägypten hausten, um dann von Moses herausgeführt zu werden) und die Kanaaniter. Unter Saul, dem Vorgänger von David, prügelten sich vor allem die Philister und die Israeliten, wahrscheinlich genau so sinnlos wie heute die Israelis mit den Palästinensern; wesentlich sinnvoller wäre es, leistungsfähige Wasserentsalzungsanlagen zu bauen, das würde den Kern des Konflikts definitiv entschärfen. Auf jeden Fall brachte nach der einen Erzählung David seinen gegen die Philister kämpfenden Brüdern Brot und Käse und Goliath, ein Philister, hat ihn geärgert; da hat er ihn mit der Steinschleuder platt gemacht. Das beeindruckte den König Saul und vor allem seine Tochter Michal; die Mädels haben halt was übrig für gutaussehende Helden. Aber Papa König mag den David nicht, und so geht das dann eine Weile hin und her, mit Mordanschlägen, Vertreibung, Verleumdnung etc., das ganze Ballett halt, bis Saul stirbt und David zum König gewählt wird. Der hat inzwischen eine ordentliche Karriere als Räuber, Bekämpfer der Räuber und Verbündeter der Philister hinter sich, so dass er von allen anerkannt wird. Als er König wird, lässt er die Bundeslade zurück nach Jerusalem bringen. Die Bundeslade schleppten die Juden immer durch die Gegend. Sie beinhaltete die zwölf Tontafeln mit den zehn Geboten, die Moses auf dem Berge Sinai zusammentönernde, nach göttlicher Eingebung, oder weil er so ganz vernünftig fand. Bei dieser Gelegenheit, darauf zielt der Vers ab, berührt der Priester Ussa die Bundeslade, damit sie nicht umkippt. Das ärgert, aus irgendwelchen Gründen Gott und er erschlug ihn. Gott ist halt ein bisschen wie Rübezahl, manchmal richtig nett, dann aber wieder ganz schön jähzornig.

Und sah die Michal sich am Fenster am Fenster brüsten
Im Schloss, als ob die Augen bei dem Tanze
Verachtung nur und Zorn zu blicken wünschte


Also Michal war die Tochter Sauls, die hatte David dann irgendwann geehelicht, hatte aber noch einige andere süße Gespielinnen und warum, erklärt dieser Vers. Die Frau war ja ganz offensichtlich die volle Spaßbremse, wird sauer nur weil ihr Gatte in so einer Art Love Parade sich im Lendenschurz austobt.

Und sah den hohen Ruhm in Stein gehauen
Des Römerkaisers, dem einst Gregor
Zum Sieg verhalf durch Beten voll Vertrauen


Angespielt wird auf den römischen Kaiser Trajan. Trajan wurde 53 in Italica (in der Nähe des heutigen Sevilla / Spanien) geboren und starb 117 in Selinus (in der heutigen Türkei). Da der Papst Gregor der Große erst im Jahre 540 geboren worden (und 604 starb) war, schmorte Trajan also noch eine ganze Weile in der Hölle, bevor ihn das Gebet Gregors erlösen konnte. Bedenken wir aber, dass die vor Christi Geburt Geborenen erstmal sowieso in der Hölle schmoren, und dass Trajan nur deswegen befreit werden konnte, weil er nach Christi Geburt geboren wurde, obwohl er mit dem Christentum gar nichts am Hut hatte. So fragen wir uns allmählich, ob Dante einen an der Waffel hatte.

Es stellte den Trajan beim Ausmarsch vor
Als ihm die Witwe dreist fiel in die Zügel
Die unter Tränen bittend ihn beschwor


Auch das ist eine Anekdote, die die Weltgeschichte hat erdonnern lassen und die wir unbedingt kennen müssen. Eine Mutter, deren Sohn ermordet worden war, bittet Trajan, den Mörder ausfindig zu machen und zu bestrafen. Daraufhin stoppt Trajan den gesamten Feldzug solange, bis der Mörder gefunden ist.

Er dessen Augen niemals Neues sehen
Hat diese Zwiesprach sichtbar dargestellt
Uns neu, weil hier es nirgends kann geschehen

„Er“, dessen Augen niemals Neues sehen, ist Gott. „Neu“ ist wohl weniger das Dargestellte, denn dies ist ja irdischer Natur (oder eben, eher zutreffend, eine Legende), als die Art der Darstellung. Dante hätte hier die Möglichkeit gehabt, zu erkennen, dass die Kunst über die Natur hinausweist, es sich also gerade nicht so verhält, wie er es oben schildert, die Kunst also die Natur eben nicht nachahmt, sondern überschreitet, denn er sieht jetzt Dinge, die er nirgendwo sonst sehen kann.

Da flüsterte Vergil: „Dort seh ich schreiten
Schwerfälligen Ganges von drüben eine Schar
Die wird uns berghinauf die Wege leiten“

Um wenn es sich genau handelt, werden wir erst im nächsten Gesang erfahren. Erhalten bleibt uns aber auch hier die Logik des Contrapasso, der zur Strafe äquivalenten Buße. Die Hochmütigen, die zu Lebzeiten den Kopf etwas hoch trugen, sind dazu verdammt, schwere, niederdrückende Gewichte zu tragen. Der Unterschied zur Hölle ist aber offensichtlich. Hier kann die Strafe gebüßt werden.

Die Art der Qual erfüll dich nicht mit Trauern
Auf‘ s Ende sieh und denk: Auch Schlimmstes kann
Nur bis zum Tage des Gerichtes dauern!“


Was folgt sind allgemeine Ausführungen über den Hochmut an sich.

O stolze Christen! Elend, qualumfangen
Irrtum macht euer geistig Auge blind,
Rückgleitend glaubt ihr vorwärts zu gelangen

Wieder ist unklar, auf was Dante Bezug nimmt, denn auf irgendwas nimmt er ja immer Bezug. Zugrunde liegt wohl die Vorstellung, dass sich das Leben eines Christen Gott zuwendet, diese Hinwendung zeigt also nach vorne. Werden aber die Gebote des Glaubens vergessen, dann ist das ein Rückschritt, wer die Gebote des christlichen Glaubens vergisst, gleitet also zurück.

Gewahrt ihr nicht, dass wir nur Larven sind
Draus sich der Himmelschmetterling entfaltet,
Der schirmlos zur Gerechtigkeit entrinnt


Man wäre vielleicht besser etwas dichter am italienischen Orginal geblieben.

non v'accorgete voi che noi siam vermi
nati a formar l'angelica farfalla,
che vola a la giustizia sanza schermi?

Bemerkt ihr ihr nicht, dass wir nur Larven sind
geboren nur den engelhaften Schmetterling zu formen
der ungeschützt zur Gerechtigkeit sich schwingt


Das Orginal stellt eher darauf ab, dass der Sinn der Geburt der ist, sich zu der Seele zu entwickeln, die sich emporschwingt, und zwar ohne Schutz, ohne Güter und anderes, was an die Welt erinnert. Das aber vergessen die Hochmütigen, sie wollen etwas gelten in der Welt, erstreben Dinge, die nach dem Tode nichts mehr Wert sein werden.

Wie man in Erkern oder überdeckten
Portalen Stützen sieht als Karyatiden
Mit Knien, krampfhaft bis zur Brust gereckten


Mit diesen Worten wird die Art und Weise beschrieben, wie die von ihren Lasten Niedergedrückten sich vorwärts schleppen. Die Übersetzung ist auf jeden Fall falsch, denn die Karyatiden haben die Beine nicht hochgereckt, ganz im Gegenteil, sie stehen aufrecht. Mit Karyatiden bezeichnet man weibliche Figuren, die als tragende Säulen ein Bauwerk stützen. Diese Figuren stehen aufrecht, die Arme hängen an der Seite herab. Im italienischen Orginal kommt der Begriff nicht vor.

Come per sostentar solaio o tetto,
per mensola talvolta una figura
si vede giugner le ginocchia al petto


wie um zu stützen Gebälk oder Dach
man eingebettet in den Sims eine Figur
kann sehen, mit eingezogenen Knien bis zur Brust


An was Dante genau dachte, ist unklar, die Art der Figur lässt eher an die Gotik denken, wo aber diese Art von Stützpfeilern eher untypisch ist.