Und auch in diesem Gesang wird eine unendliche Fülle an Figuren auftauchen, 
  vorwiegend männliche. Konnten wir das in der Hölle noch ohne weiteres 
  nachvollziehen, es entspricht ja weitgehend der Kriminalitätsstastik, so 
  finden wir das im Läuterungsberg doch überraschend. Ein paar Frauen 
  hätten es doch auch schaffen müssen. Auf jeden Fall sind Frauen, immerhin 
  so in etwa die Hälfte der Weltbevölkerung, unterrepräsentiert. 
  Sordello, den wir schon aus dem sechsten Gesang kennen, das ist der Dichter, 
  erfährt nun, wen er vor sich hat.
  
  Ich bin Vergil. Nur Glaubensmangel wehrte
  Zum Licht den Eintritt mir, nicht andre Sünde
  So sprach Vergil, wie es Sordell begehrte.
  
  Im vorigen Gesang haben wir eine ähnliche Stelle, allerdings kam Vergil 
  da gar nicht mehr dazu, sich vorzustellen, weil Sordell ihn unterbrach, als 
  der Name seiner Heimatstadt, Mantua, genannt wurde.
  
  Vielmehr uns fragend jetzt nach Land und Leben
  Doch als Vergil kaum „Mantua“ angefangen
  Sah ich den Schatten blitzschnell sich erheben
  
  Dass Sordell dann offensichtlich das Lateinische lobt, nehmen wir zur Kenntnis.
  
  „O Latiums Ruhm! Der klar bewies wie keiner
  Dass unsere Sprachereich reich an Kraft und Zier 
  Du ewger Schmuck von deiner Stadt und meiner
  
  Sieht man das objektiv, dann sind die Verse Worthülsen und sagen über 
  das Lateinische selbst nichts aus. Allein die Feststellung, dass Latein reich 
  an Kraft und Zier ist, ist keine qualifizierte Aussage. Das italienische Orginal 
  ist zwar etwas anders, aber es läuft auf das Gleiche hinaus.
  
  «O gloria di Latin», disse, «per cui 
  
  mostrò ciò che potea la lingua nostra, 
  o pregio etterno del loco ond'io fui 
 “ O Ruhm des Lateinischen”, sagte er, 
  für welches du gezeigt was unsere Sprache vermag zu leisten
  o ewige Lobpreisung des Ortes, aus dem ich stamme 
  
  Vergil erklärt Sordello dann, dass er in der Hölle haust, da wo auch 
  die Kinder hausen, die zwar noch keine Sünde begangen haben, dazu hatten 
  sie durch ihr frühes Ableben gar keine Gelegenheit, aber auch noch nicht 
  von der Erbsünde befreit sind.
  
  Dort bin ich bei den unschuldsvollen Kleinen
  Zermalmt vom Zahn des Todes, eh hernieden
  Vom Sündenfall frei die Kindlichreinen
  
  Also irgendwie ist wohl sowas gemeint, wie es im Konzil (1563) festgelegt wurde. 
  Dieses stellte fest, dass alle Menschen irgendwie sündig seien, weil Adam 
  und Eva vom Apfel gegessen hatten. Von dieser Sündhaftigkeit können 
  sie nur befreit werden, wenn sie getauft werden. Also Babys, die nach der Geburt 
  ungetauft sterben, landen in der Hölle, jene sie getauft sind, ein Stockwerk 
  weiter oben. Das muss man so im Detail wohl nicht verstehen, aber für die 
  Kirche ist das praktisch, denn ohne Kirche geht es dann nicht in den Himmel, 
  no way. Aus eigener Kraft, also durch gute Taten, das würde man ja auch 
  ohne Kirche hinkriegen, geht es nicht. So macht man Schotter, man sagt einfach, 
  dass man unbedingt gebraucht wird und kassiert ab. Stimmen die Aussagen bei 
  Wikipedia über den Ratzinger Joseph (Künstlername Benedikt XVI), dann 
  sieht der das irgendwie ähnlich. 
  
  „Papst Benedikt XVI versteht die Erbsünde nicht im Sinne einer biologischen 
  Vererbung, sondern betont die kollektiven menschlichen Verstrickungen der Vergangenheit, 
  in die jeder Mensch durch seine Geburt eintritt. Diese schränken die Selbstbestimmung 
  ein und geben den Rahmen der eigenen Freiheit vor: Niemand hat die Möglichkeit, 
  an einem perfekten "Punkt Null" anzufangen und sein Gutes in völliger 
  Freiheit zu entwickeln.
  
  “Aus: http://de.wikipedia.org/wiki/Erbs%C3%BCnde
  
  Der langen Rede kurzer Sinn, wir wissen nicht, aus welchem theologischen Lehrwerk 
  Dante schöpfte (Thomas von Aquin, das ist schon klar, aber genauer eben 
  nicht), aber irgendwie scheint der ganze Ansatz so verworren zu sein, dass eine 
  Vertiefung sich nicht lohnt.
  
  Bei jenen bin ich, denen nicht beschieden
  Der Tugend heilige Drei – doch die, nicht blind
  Für jede andere Tugend, Sünde mieden
  
  Mit der Tugend heilige Drei ist Liebe, Glaube, Hoffnung gemeint. Wieso 
  die wichtiger sind als die anderen, also z.B. das Herz auf dem rechten Fleck 
  haben, das erschließt sich nicht jedem, das ist metaphysisch.
  
  Die Grenzen der Rationalität, die Thomas aus dem religiösen Glauben 
  zieht, werden noch deutlicher, wenn wir die Gründe betrachten, weshalb 
  Glaube, Hoffnung und Liebe als theologische Tugenden bezeichnet werden. "Diese 
  Prinzipien heißen theologische Tugenden einmal, weil sie Gott zum Objekt 
  haben, insofern wir durch sie in der richtigen Weise auf Gott hingeordnet werden, 
  dann, weil sie uns von Gott allein eingegossen werden und schließlich, 
  weil nur in der göttlichen Offenbarung, in der Heiligen Schrift, diese 
  Tugenden überliefert sind" (Zitat Thomas von Aquin) 
  
  aus: Religion - Metaphysik(kritik) - Theologie im Kontext der Moderne / Postmoderne, 
  Hrsg. Markus Knapp und Theo Kobusch, Seite 135
  
  Dann gibt es noch einen anderen Thomas, also nicht den von Aquin, sondern einen 
  anderen, Thomas Rachel, der ist parlamentarischer Staatsekretär (CDU, logo) 
  und predigt ab und an. So zum Beispiel am 18. Februar 2007.
  
  „Doch was haben wir, liebe Schwestern und Brüder, damit gewonnen, 
  dass wir nun wissen, dass der Apostel Paulus von der göttlichen Liebe spricht? 
  Wir bekennen nun zwar als Christen, dass es kein menschliches Lieben ohne die 
  göttliche Liebe gibt, in der all unsere Liebe ja letztlich gründet.“
  
  Aus:http://www.thomas-rachel.de/themen/kircheundpolitik/archiv/predigtvonthomasrachelmdb,bundesvorsitzenderdesevangelischenarbeitskreisesdercdu-csu,vom18.februar2007/
  
  Was wir damit gewonnen haben, wenn wir erkennen, dass der Apostel Paulus von 
  der göttlichen Liebe spricht und wenn wir erkennen, dass es kein menschliches 
  Lieben ohne die göttliche Liebe gibt? Keine Ahnung, ehrlich. Fragen über 
  Fragen. Ich halte es mit Goethe.
  
  Oh glücklich wer noch hoffen kann 
  Aus diesem Meer des Irrtums aufzutauchen
Dieser Vers ist dann ebenfalls erklärungsbedürftg.
  
  Doch sieh, der Tag fängt zu erblinden an,
  Drum scheint mir‘ s klug, auf Unterkunft zu sinnen
  Weil man bei Nacht schlecht aufwärtsklimmen kann
  
  Dass man nachts nicht aufwärtsklimmen kann, hängt wohl mit Aussagen 
  zusammen, die im Evangelium des Johannes, 12, 35 gemacht werden.
  
  „Da sprach Jesus zu ihnen: Es ist das Licht noch eine kleine Zeit bei 
  euch. Wandelt, solange ihr das Licht habt, damit euch die Finsternis nicht überfalle. 
  a Wer in der Finsternis wandelt, der weiß nicht, wo er hingeht.“
  
  Die Sonne wird als Gnade Gottes gesehen. Ist sie nicht da, kann man sich auch 
  nicht von seinen Sünden reinigen.
  
  So richtig versteht das aber auch Vergil nicht, der kennt ja auch das Evangelium 
  des Johannes noch nicht.
  
  Das sprach mein Herr, erstaunt ob dieser Kunde
  „So führ und denn dahin, wo beim verweilen
  Wie du versprachst, köstlich verrinnt die Stunde
  
  Es folgt die Beschreibung eines locus, eines lieblichen Ortes. 
  
  Gold, feines Silver, Bleiweiß, Scharlachfrucht
  Indisches leuchtend Holz, der wassereine
  Smaragd – sie alle schlüge doch in die 
  Flucht…..
  
  Diese Verse wiederum bringen einen nun tatsächlich ins Grübeln, denn 
  sie werfen mehrere Fragen bezüglich der Rezeption der Divina Commedia und 
  der Fähigkeit zur Autosuggestion der Philologenzunft auf, bzw. deren Interesse, 
  einen fest in der Zunft verankerten Dichter lobzupreisen. Wir lesen in der Übersetzung 
  von Hermann Gmelin, in der Zusammenfassung des Gesanges, diese Sätze.
  
  Der Gesang vereinigt in der Klarheit der letzten Abendsonne die höchste 
  malerische Schilderungskunst Dantes mit der Charakteristik der Fürsten, 
  die dem politischen Dichter Dante besonders am Herzen liegt.
  Glaubte Gmelin, was er schrieb, dass wir hier die höchste malerische Schilderungskunst 
  vor uns haben?
  
  Salve Regina! Scholl es in den Lüften
  Im Blumenpolster lagernd sangens‘ s Seelen
  Die draußen uns verdeckt erst von den Klüften
  
  Mit Salve Regina sind diese Verse gemeint.
  
  Sei gegrüßt, o Königin,
  Mutter der Barmherzigkeit;
  unser Leben, unsere Wonne
  und unsere Hoffnung sei gegrüßt!
  Zu dir rufen wir verbannte Kinder Evas;
  zu dir seufzen wir
  trauernd und weinend in diesem Tal der Tränen.
  Wohlan denn, unsere Fürsprecherin,
  wende deine barmherzigen Augen uns zu
  und nach diesem Elend zeige uns Jesus,
  die gesegnete Frucht deines Leibes!
  O gütige, o milde, o süße Jungfrau Maria.
  
  Zu dieser ganzen Littanei dichtete ja schon Heinrich Heine 
  
  Ein kleines Harfenmädchen sang.
  Sie sang mit wahrem Gefühle
  Und falscher Stimme, doch ward ich sehr 
  gerühret von ihrem Spiele. 
  
  Sie sang von Liebe und Liebesgram,
  Aufopfrung und Wiederfinden,
  Dort drüben, in jener besseren Welt,
  Wo alle Leiden schwinden. 
  
  Sie sang vom irdischen Jammertal,
  Von Freuden, die bald zerronnen,
  Vom Jenseits, wo die Seele schwelgt,
  verklärt in ewigen Wonnen. 
  
  Sie sang das alte Entsagungslied,
  Das Eiapopeia vom Himmel,
  Womit man einlullt, wenn es greint,
  Das Volk, den großen Lümmel. 
  
  Und dann folgt eine Kaskade von Anspielungen auf Personen aus der Zeit Dantes 
  beziehungsweise kurz vorher. 
  
  War Kaiser Rudolf, der Italiens Wunden
  Leicht hätt‘ geheilt, daran es nun verendet
  Zu spät erst lässt ein andrer es gesunden
  
  Wie Dante auf Rudolf kommt ist rätselhaft, noch rätselhafter, warum 
  er davon ausgeht, dass er die Wunden hätte heilen können, sprich, 
  das zersplitterte Italien in einer Hand zu vereinigen. Rudolf I (geb. 1218, 
  gest. 1291) hatte erstmal keine dynastischen, auf Heirat, Erbe beruhenden Ansprüche 
  auf Italien. Die einzige Verbindung besteht darin, dass er stauferfreundlich 
  war und den letzten Staufer (also Konradin, einem Ururenkel König Barbarossas 
  /=> König Barbarossa => Heinrich VI => Friedrich II =>Konrad 
  IV => Konradin/) bei seinen Feldzügen nach Italien beteitligte. Nachdem 
  Konradin 1268 von Karl von Anjou hingerichtet worden war, gab es in Italien 
  keine dynastischen Ansprüche der Staufer mehr, aber Rudolf I hatte ohnehin 
  nie welche. 
  Wieso allerdings Rudolf es leicht hätte schaffen können, was Manfred 
  von Sizilien (unehelicher doch legitimierter Sohn Friedrichs II) nicht geschafft 
  hatte, nämlich sich gegen das Papstum und den mit diesem verbündeten 
  Karl von Anjou durchzusetzen, ist ein Rätsel, zumal Rudolf genug damit 
  zu tun hatte, sich gegen Ottokar II durchzusetzen. 
  
  Ottokar ist‘ s- und er war schon viel besser
  In Windeln, als der bärtige Wenzeslas
  Sein Sohn, der Wollüstling und faule Fresser
  
  Ottokar II war der Gegenspieler von Rudolf I und wurde von diesem 26. August 
  1278 in der Schlacht auf dem Marchfeld geschlagen und von persönlichen 
  Feinden ermordert. Insgesamt waren die Verhältnisse jenseits der Alpen 
  genau so wirr, wie in Italien. Wieso Dante hier hoffen konnte, dass ein Staufer, 
  Luxemburger, Habsburger Italien hätte einigen können, ist ein Rätsel. 
  Jetzt auf jeden Fall sitzen Rudolf I und Ottokar II friedlich vereint im Vorpurgatorium. 
  Wieso der Sohn Ottokars, Wenzel II (geb. 27. September 1271, gest. 1305) ein 
  Wollüstling und fauler Fresser gewesen sein soll, ist unklar, unklar auch, 
  woher Dante seine Kenntnisse hatte. Sein Leben liest sich eher tragisch. Nach 
  dem Tod seines Vaters übernahmOtto IV von Brandenburg seine Vormundschaft, 
  genau genommen hielt er ihn gefangen und nutzte die Zeit, um die Besitztümer 
  seines Vaters zu plündern. Nach einem Aufstand zogen die brandenburgischen 
  Besatzer ab, Wentzel wurde freigekauft und heiratete 1278 (also im Alter von 
  7 Jahren die Habsburgerin Guta (ebenfalls 7 Jahre alt), eine Tochter Rudolfs 
  I. Er stand dann aber bis zum Jahre 1290 immer noch unter Vormundschaft (diesmal 
  unter der Vormundschaft von Witigone Zawitsch von Falskenstein, der aber 1290 
  hingerichtet wurde). Erst ab dann übernahm der die Regierungsgeschäfte. 
  Sein Versuch Polen und Ungarn in sein Reich zu integrieren scheiterte am Widerstand 
  des Papstes Bonifatius VIII. Ein ausschweifendes Liebesleben ist attestiert, 
  allerdings auch ein fast mönchische Lebenshaltung. 
  
  Die Stumpfnas dort, die lagert in dem Gras
  Den gütgen Nachbar scheint um Rat zu fragen 
  Starb flüchtend – und der Wurm die Lilien fraß
  
  Gemeint ist Phillip III. Der hat um sechs Ecken auch was mit italienischer Innenpolitik 
  zu tun. Er ist der Neffe von Karl von Anjou (also desjenigen, der die Staufer 
  aus Italien geworfen und sich Sizilien gekrallt hat, bzw. vom Papst zugesprochen 
  bekommen hat, aber das läuft auf das Gleiche hinaus). Eben dieser Phillip 
  III der Kühne (geb. 1245, gest. 1285) ist nun aber auch König von 
  Frankreich (im übrigen kennen wir ihn auch schon, das ist der, der in zweiter 
  Ehe mit Marie von Brabant verheiratet war, welche wiederum von dem Günstling 
  des Königs Pierre de la Broce angeklagt worden war, den Sohn Phillips aus 
  erster Ehe, Ludwig, ermordet zu haben, um so ihren eigenen Sohn, den späteren 
  Phillip den Schönen auf den Thron zu bringen. Es ging aber schlecht aus 
  für Pierre de la Broce, denn er wurde hingerichtet, wegen übler Nachrede 
  sozusagen.). Mit der italienischen Innenpolitik hat er durch die sizilianische 
  Vesper was zu tun (die kennen wir auch schon, da rebellieren die Adligen in 
  Sizilien gegen Karl von Anjou, also den Onkel Phillips). Jetzt wird es kompliziert. 
  Peter III von Aragón (ein Königreich im Norden Spaniens) nutzt die 
  Gunst der Stunde, denn der hat dynastische Ansprüche darauf, weil er mit 
  Constantina, der Tochter von Manfred von Sizilien, der Einzigen, die nach dem 
  Tode des Papa in der Schlacht von Benevent überlebt hat, verheiratet ist. 
  Daraufhin zieht Phillip III, kühn wie er war, nach Spanien. Er greift Katalonien 
  (Katalonien und Aragon waren zu diesem Zeitpunkt unter einer Herrschaft vereint) 
  an und kann dort auch die Stadt Gerona einnehmen. Die aragonesische Flotte hat 
  aber zwischenzeitlich die französische Flotte platt gemacht, so dass ihm 
  der Sieg nicht viel nützt, denn er ist vom Nachschub abgeschnitten und 
  kann sich nur nach Perpignan zurückziehen, wo er 1285 an der Ruhr stirbt. 
  
  Flüchtend starb er also, weil er ja nach Perpignan geflüchtet war, 
  und der Wurm frass die Lilien, die das Wappen von Phillip III waren. Der ganze 
  Vers, …und der Wurm die Lilien fraß, klingt nicht wirklich nett. 
  Irgendwie hatte Dante was gegen Phillip III und Karl von Anjou, aber leider 
  verrät er uns nicht was. Unter Umständen verabscheute er ihr Paktieren 
  mit dem Papst, denn dieser war laut Dante ja nur für das Geistige zuständig. 
  Bei Dante kommen auf jeden Fall die deutschen Kaiser besser weg, das freut uns 
  natürlich, nimmt man es aber genauer, dann waren die einen die Pest, die 
  anderen die Cholera. Das gibt sich nicht viel.
  
  Seht ihn zerknirscht nun an die Brust sich schlagen
  Der andere aber stützt das Antlitz fest
  Auf seine Hand als Bett mit Seufzerklagen
  
  Vater und Schwager sind von Frankreichs Pest
  Sie kennen sein unflätig Lasterleben
  Daher der Kummer, der ihr Herz so presst
  
  Der Andere ist Heinrich der Dicke von Navarra. Die Frage ist, wie lässt 
  sich das aufgrund der wenigen Informationen erschließen. Historisch rekonstruieren 
  lässt sich nur der, dessen Lilien der Wurm fraß, das ist Phillip 
  III. Dieser unterhält sich mit jemandem und wir erfahren, dass sie Vater 
  und Schwager eines Dritten sind, der ein Lasterleben führt. Auf diese Konstellation 
  passt nur diese Figurengruppe. Phillip III (Vater) hatte einen Sohn Phillip 
  IV (Sohn von Phillip III) und der war mit Johanna von Navarra verheiratet, die 
  wiederum die Tochter desjenigen mit unflätigem Lasterleben war, nämlich 
  Heinrich III von Navarra (Gegend in Nordspanien). Also der Vater (Phillip III) 
  und der Schwager (Phillip IV) kennen das lasterhafte Leben von Heinrich III 
  und sind deshalb zerknirscht. 
  
  Der dort so gliederstark erscheint und neben
  Dem Langbenasten singt in gleichem Zuge
  Er war mit jedem Tugendschmuck umgeben
  
  Der dort so gliederstark erscheint, ist Peter III von Navarra, der hat den Phillip 
  III platt gemacht. Das gefällt Dante natürlich und deshalb ist er 
  mit jedem Tugendschmuck umgeben. Im Läuterungsberg sind aber alle Zwistigkeiten 
  überwunden, denn Peter III singt mit dem Langbenasten, das ist Karl von 
  Anjou, also der Onkel von Phillip III und Großonkel von Phillip IV, also 
  der Bösewicht, der alle Staufer geschlagen hat, zuerst Manfred von Sizilien 
  und dann Konradin. 
  
  Und wenn nur länger noch die Krone trug
  Der Jüngling hinter ihm, statt früh zu sterben
  Gut floss die Tugend dann von Krug zu Krug
  
  Nicht gilt dasselbe von den anderen Erben
  Jakob und Friedrich erbten nur die Reiche
  Ohne dass bessre Erbteil zu erwerben
  
  Also: Der Jüngling hinter ihm, also hinter Karl von Anjou, ist einer von 
  drei Söhnen Peters III, nämlich Alfons III 
  (geb. 1265; gest.1291). Warum er tugendhaft war, wissen wir nicht, aber als 
  ältester Spross erbte er die Krone, verstarb jedoch früh und König 
  wurde sein Bruder Jakob II (geb. 1267, gest. 1327). Warum Dante sich so despektierlich 
  äußert, dürfte mit dessen Politik zu tun haben. Er verzichtete 
  zugunsten von Frankreich auf das Königreich Sizilien (dessen König 
  ja sein Vater noch gewesen war, der sich nach der sizilianischen Vesper gegen 
  Phillip III durchsetzen konnte, dessen Flotte abgesoffen war) . Im Gegenzug 
  verzichtete Frankreich auf Kastilien. Der Papst hob daraufhin den Bann auf. 
  Als die Sizilianer nun seinen Bruder Friedrich zum König bestimmten, bekämpfte 
  er diesen auf der Seite Frankreichs. 
  
  Dann kommen wieder ein paar Verse, die ganz ähnlich funktionieren, also 
  die Dekodierung der Figuren muss gelingen durch die Angabe einiger weniger Daten, 
  die nur auf eine bestimmte Personenkonstellation zutreffen. Allerdings scheint 
  auch Zoozmann vom rechten Pfade abgekommen zu sein und musste in Waldesnacht 
  verirrt sich schauen. Er übersetzt.
  
  Nicht auf die Langnas ist mein Wort beschränkt
  Es gilt auch Petern, der mit diesem singt 
  Drob schon Apulien und Procence sich kränkt
  
  Die Verse im Orginal lauten
  
  Anche al nasuto vanno mie parole 
  non men ch'a l'altro, Pier, che con lui canta, 
  onde Puglia e Proenza già si dole.
  
  Was dann übersetzt sowas ergäbe.
  
  Auch dem mit der großen Nase gelten meine Worte
  und nicht weniger als dem anderen, Peter, der an seiner Seite singt, 
  worüber Apulien und die Provence klagt
  
  Von dem mit der großen Nase hat er noch gar nicht gesprochen, sein Wort 
  ist also nicht nur auf diesen beschränkt, sondern ganz im Gegenteil, es 
  richtet sich ausdrücklich auch an diesen, denn Peter hat er ja schon durch.
  Fragt sich jetzt nur noch, wer der mit der großen Nase ist. Wir erhalten 
  dann in den nächsten Versen noch ein paar Informationen, die die Person 
  näher charakterisieren.
  
  Soviel geringer ist der ihm Entsprossene
  Als sich Konstanze mehr den Beatrice
  Und Margarete ihres Gatten rühmet
  
  Gesucht wird also jemand, der irgendwas mit der Provence und mit Apulien zu 
  tun hatte und den man irgendwie mit Konstanze, Margarete und Beatrice in Verbindung 
  bringen kann. 
  All das trifft auf Karl von Anjou zu. Den Karl von Anjou hatten wir ja schon 
  oft, das ist der, der im Auftrag des Papstes, der ihm mal so ganz gelassen Sizilien 
  schenkte, die Staufer bekämpfte. Er war ein Bruder des französischen 
  Königs Ludwigs IX, und nach dem Machtantritt von dessen Sohn Phillip III, 
  eben der Onkel des französischen Königs. Er heiratete 1246 Beatrix 
  aus der Provence und war nach dem Ende der Staufer auch König von Apulien 
  (Königreich Neapel). Damit hätten wir die Verbindung zu Apulien und 
  der Provence, fehlen noch die Frauen. Mit Konstanze ist wahrscheinlich die Frau 
  von Peter III gemeint, also dem Gegenspieler der Anjous in Italien. Nach Ansicht 
  Dantes hatte Konstanze, die Tochter Manfreds von Sizilien, den besseren Gatten 
  (was man vielleicht nachvollziehen kann, denn die Anjous quetschten Sizilien 
  bis zum geht nicht mehr aus) als Beatrice und Margarete, die nacheinander mit 
  jenem unseligen Karl von Anjou verheiratet gewesen waren.
  
  Nimmt man jetzt noch den ersten Vers „….Soviel geringer ist der 
  ihm Entsprossene…“ dann verdammt er auch gleich die Nachkommen 
  von Karl von Anjou, also Karl II. Dieser verlor dann Sizilien endgültig.
  
  Einfachen Wandels, abhold äußerem Glanze, 
  Seht abseits Englands Heinrich dort, den dritten
  Sein Wurzeltrieb erzeugte bessere Pflanzen
  
  Wer hier von Dante so gepriesen wird ist Heinrich III von England (geb. 1207, 
  gest. 1272). Warum, wieso, weshalb dieser positiv geschildert wird, bleibt völlig 
  unklar.